Positionen japanischer Architektur: Sou Fujimoto

„between architecture and landscape
between furniture and architecture
between inside and outside
between nature and architecture“

Die Werke des japanischen Architekten Sou Fujimoto lassen sich schwer kategorisieren. Der Übergang zwischen Innen und Außen, zwischen Architektur und Interieur verläuft fließend. Deutlich wird was „dazwischen“ liegt und das traditionell japanische Verständnis von Raum.

Am 27. Mai sprach Sou Fujimoto im Rahmen der Vortragsreihe „Positionen japanischer Architektur“ an der AKöln über das Wesen seiner Architektur als Zwischenraum.

Ausgangspunkt des Vortrags und Grundlage seiner Konzeptgedanken ist der Vergleich von Natur und Stadtstruktur. Geboren und aufgewachsen in Hokkaido, einer von Natur geprägten Gegend Japans, ging Sou Fujimoto mit 18 Jahren nach Tokyo, um dort zu studieren. Das von ihm zunächst als hässlich, überfüllt und artifiziell empfundene Tokyo folgt laut Fujimoto bei näherer Betrachtung den gleichen „Gestaltungs-Regeln“ wie die Natur. Die Erkenntnis über einfache Elemente, die durch Addition und dem Spiel mit ihrer Maßstäblichkeit vielfältige Strukturen ergeben, spiegelt nicht nur die Struktur Tokyos und der Natur wider, sondern auch die Arbeit Sou Fujimotos. So vergleicht er Tokyo mit einem künstlichen Wald, dessen Entdeckungsmöglichkeit den Qualitäten in der Natur gleichkommt. Dabei spielt das menschliche Verhalten und die Bewegung im Raum eine entscheidende Rolle und ist ebenso raumbildend wie die Struktur selbst.

Der Pavillon im Garten der Serpentine Gallery in London kann als Raum fassende Übersetzung dieser Überlegungen verstanden werden. Die hauchdünne kubische Struktur wirkt aus der Ferne wie eine weiße Wolke, die sich bei näherer Betrachtung an manchen Stellen aufzulösen scheint und an anderen, gefasste, funktionslose Räume bildet. In der sehr einfachen und präzisen Struktur aus sich wiederholenden, ähnlichen Elementen ergeben sich vielfältige Möglichkeiten des Erlebens und des Aufenthalts in Räumen und Zwischenräumen. Es ist zugleich Tragwerk und Interieur; halb Raum, halb Objekt.

Mehr noch als im Serpentine Gallery Pavillon sind im House NA die Räume und Zwischenräume auf die städtische Struktur bezogen. Das kleine Wohnhaus in Tokyo erstreckt sich über 20 Ebenen. Gebildet aus unterschiedlich großen, wandlosen Kuben, die wie willkürlich aufeinander gestapelt wirken, ergibt sich ein Haus, dessen Übergang zum Außenraum fließend verläuft. Das simple Gefüge steht im Kontrast zur komplexen Raumbildung, die den Bewohnern durch die Fülle an Nutzungsarten ein nomadenähnliches Leben im eigenen Haus ermöglicht. Einige der Flächen sind so dimensioniert, dass sie gleichzeitig die Funktion eines Tisches oder Stuhles übernehmen. Trotz weitgehend fehlender Möblierung ergibt sich eine Dichte an umgebenden Elementen, die vergleichbar mit der in Großstädten wie Tokyo ist.

In ähnlich radikalem Konzept entwickelt Sou Fujimoto auch im House N ein Kontinuum von Räumen und Zwischenräumen – zwischen Stadt und Privaträumen, die durch eine einheitliche klare Struktur gebildet werden. Drei übereinander gesetzte, nach Innen kleiner werdende Boxen schaffen einen stufenweisen Übergang von Außenraum zu Innenraum, von Öffentlich zu Privat. Sou Fujimoto löst die klar abgrenzende Außenwand des Hauses auf und macht den Zwischenraum erlebbar.

Ein halb geschlossener, halb offener Garten, ein mit Bäumen bepflanzter Innenraum bildet den Übergang zu den beiden innenliegenden Boxen, die immer privater werden. Die leicht versetzt angeordneten, großen Öffnungen ermöglichen je nach Position im Haus privatere und öffentlichere Bereiche.

Das Spiel mit Privatheit und Öffentlichkeit; Innen und Außen treibt Sou Fujimoto mit dem Projekt „Toilet in Nature“ auf die Spitze. Die Toilette mit Ausblick steht eingehaust in einem Glaskasten inmitten eines blickdicht abgezäunten, 200 Quadratmeter großen Gartens.

Ungewöhnliche Konzepte definieren Fujimotos Arbeit. Seine Projekte sind kein „entweder oder“, sie sind „sowohl als auch“ und befinden sich zwischen dem klar definierbaren. Mit dem Vortrag von Sou Fujimoto hörten wir eine Position in der japanischen Architektur, die das traditionelle japanische Raumempfinden in die Moderne überträgt und durch klare Konzepte, komplexe Raumgebilde schafft, deren Funktionen durch die Interaktion der Bewohner und Nutzer definiert werden und so Raum erlebbar machen.

Bild: Yvonne Klasen
Text: Anna-Laura Oldenburg