architectural tuesday SS16 | Prof. Dr. Wolfgang Pehnt

„LUST ODER LAST? – Architektur der 1960er und 1970er Jahre“ – dieser Thematik widmet sich der aktuelle architectural tuesday im Sommersemester 2016. In fünf Vorträgen und einer Diskussionsrunde lädt die Fakultät für Architektur ein, den Charakter dieser Zeit, sowie deren Relevanz für die zeitgenössische Architektur kennenzulernen.

Für die Auftaktveranstaltung am 10. Mai 2016 konnte die Fakultät Prof. Dr. Wolfgang Pehnt gewinnen, einer der bedeutendsten deutschen Architekturhistoriker und -kritiker unserer Zeit.

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Nach der Begrüßung durch Dekan Prof. Paul Böhm, gab Prof. Andreas Denk einen Überblick zur Vortragsreihe. Das nun erst allmähliche Begreifen der Wertschätzung, die Achtsamkeit des bestehenden Bestandes und der vollständige Abriss als letzte Möglichkeit waren nur drei Punkte des Umriss dieser Epoche.

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Seinen Vortrag startete Prof. Dr. Pehnt mit der Aussage des amerikanischen Städteplaners und Architekten Daniel Burnham’s „Make no little plants. Make it big“, die vertretend für die Zeit der Großbauten steht.

In den frühen 1960er – also rund 15 Jahre nach Kriegsende – bedurfte es Millionen neuer Wohneinheiten für beispielsweise Kriegsheimkehrer und Heimatlose. Dieser Fehlbestand an Wohnungen machte einen Umbau der städtebaulichen Strukturen notwendig. Einen Vergleich mit der gegenwärtigen Situation der Flüchtlingskrise hält Pehnt für möglich. Der Wachstumsboom in den Städten führte zur sprichwörtlichen Vereinsamung der Bevölkerung am Stadtrand. Urbanität als Forderung an die Stadtplanung wurde zum Teil der Baukultur.

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Megastrukturen
Das schrumpfen von Städten lag noch nicht im damaligen Gedankengut. So erhob sich die Stunde der Megastrukturen. Große, grobe Betonbauten, aneinandergelehnte Dreiecke, Ummantelungen von bestehenden Strukturen oder riesige Komplexe und Sockelbauten wurden zentrale Gestaltungselemente. Getreu dem Motto ‚räumliche Dichte erzeugt geistige Dichte‘ entstanden Großsiedlungen wie Steilshoop in Hamburg (1961-76) oder Bijlmermeer in Amsterdam (1966).

Individualität und hohe Bebauungsdichte wurden zur zentralen Thematik des Wohnungsbaus, und eine Verwirklichung beider Punkte in den Entwürfen zum Wunsch der Bevölkerung.

25-Metastadt-Bausystem-1972Metastadt-Bausystem, 1974

ron-herron-cities-moving-master-vehicle-habitation-1964Archigram: Walking City, 1964

Weltweit beschäftigten sich Menschen in den zukunftsgläubigen 1960er Jahren mit der Frage, viele Menschen auf engstem Raum unterzubringen. Zukunftsutopien von Riesenstädten und Megabauten, wie beim japanischen Metabolismus oder die „Walking City“ der britischen Architektengruppe Archigram gehören wohl zu den bekanntesten Visionen dieser Zeit.

In der anschließenden Diskussionsrunde wurde der Vortrag weiter vertieft und die Frage nach dem Individuum in dieser Epoche kam zur Sprache. Das IWZ Deutz kam als Repräsentat dieser Zeit ebenfalls mehrmals zur Sprache. Auch wenn am Ende die Frage nach der Lust oder Last nicht eindeutig beantwortet wurde, so erhielt man einen ganzheitlichen Einblick in diese allgegenwärtige Thematik um sich einer eigenen Antwort näher zu kommen.

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In zwei Wochen, am 24. Mai, begrüßt die Fakultät Dr. phil. Ulrich Krings, der mit seinem Vortrag das Gespür für die außerordentlichen Qualitäten der skulpturalen Architektur aus Sichtbeton der 60er und 70er Jahre wecken möchte.

Text: Marcel Schmitz
Fotos: Omar Mohseni

 

Weitere Informationen zum „architectural tuesday“ finden Sie unter: atuesday.akoeln.de