architectural tuesday | Johannes Kaufmann | Nachbericht

Am 15.11.22 wurde die Vortragsreihe architectural tuesday an der Fakultät für Architektur der TH Köln erfolgreich eröffnet. Am Beispiel der Region Vorarlberg werden im Wintersemester 2022/23 Architektinnen und Architekten der Region über Tradition und Moderne Vorarlberger Architektur referieren. In der Zusammenschau der Vorträge wird sich nicht nur ein Überblick über die Tendenzen neuer Vorarlberger Architektur ergeben, sondern auch ein Einblick in die verschiedenen regionalen Tendenzen, die im günstigsten Fall auch Beispiel und Ansporn sein können über das Bauen in unseren Regionen neu zu denken.

„Regionalität, Kreislaufwirtschaft in der (Holz-) Architektur“

Der Zimmermannsmeister und Baumeister Johannes Kaufmann schöpft aus dem tiefen Wissen und Können der Vorarlberger Holzbautradition, denn von Kindheit an ist er mit dem Werkstoff Holz und seinen Möglichkeiten vertraut. So steckt im Gestalter immer auch der Handwerker, der Material und Prozesse kontrolliert und den Werkstoff kritisch überprüft. In dieser Kombination steckt die Wurzel für außergewöhnliche Projekte und experimentelle Konstruktionen. Johannes Kaufmann arbeitete als Bauzeichner in renommierten Architekturbüros, bevor er 1994 mit Oskar Leo Kaufmann die Bürogemeinschaft „Kaufmann 96“ gründete (bis 2000). 2001 folgte die Gründung des eigenen Büros „Johannes Kaufmann Architektur“ mit Sitz in Dornbirn, das seit 2006 eine Dependance in Wien unterhält.

In seinem Vortrag führt er uns zunächst durch die geschichtliche Entwicklung Vorarlbergs, die durch die geografische Abgeschnittenheit früher hauptsächlich durch Bauern und Vieh geprägt war. In den 60er Jahren wurden vermehrt Zimmerleute und Handwerker zum Studieren in größere Regionen Österreichs geschickt. Die dort ausgebildeten Architektinnen und Architekten kehrten Jahre später mit einem neuen Blick auf die Landschaft und alternativen Bauweisen nach Vorarlberg zurück. Daraus entwickelte sich eine Architekturbewegung, die nicht aufgesetzt, sondern aus dem tagtäglichen Leben, aus der Bevölkerung heraus entstanden ist.

Geprägt durch Rudolf Wäger, Dietmar Eberle und zahlreichen weiteren starken Persönlichkeiten entstanden einfache, strukturierte und disziplinierte Gebäude, welche noch heute das Landschaftsbild prägen und bereichern. „Vorarlberg hat sich in den vergangenen 60 Jahren zu einem Architekturwunderland entwickelt“, so Kaufmann.

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Haus D + M

Am Projekt „Wohnhaus für seinen Bruder“ zeigt uns Johannes Kaufmann die Herangehensweise an seine Arbeiten. Zunächst wird mit klassischen Skizzen der Entwurf, sowie die städtebauliche Einbindung festgelegt, bevor er in CAD übertragen wird. Nach Festlegung des Rasters der Holzbauweise, werden diese dann in Details konkretisiert.

Der Aspekt der Regionalität wird in einem frühen Stadium der Planungsphase verfolgt. Bereits vor Fertigstellung der Planung werden die Material- und Holzliste erstellt und das Holz eingekauft. Der Einkauf des Holzes wird durch den zuständigen Waldaufseher des Bregenzerwaldes betreut. Dabei wird vor Ort bereits über Länge, Festmeter, Holzart und Qualität entschieden werden. Die erste Dimensionierung und Vorsortierung des Holzes findet noch im Wald selbst statt und erfolgt vor Bauantragsstellung, sowie vor Erstellung der Statik. 

Im Anschluss hieran wird das Holz in den Betrieb abtransportiert, geschält, eingeschnitten und für ein halbes Jahr getrocknet. 

Um die Fertigung der Holzkonstruktion zu vereinfachen und zu beschleunigen, wird mit einheitlichen Vollholzquerschnitten gearbeitet. Sollten hierbei die statischen Berechnungen ergeben, dass ein Querschnitt hierfür nicht ausreicht, so wird ein zweiter einfach hinzugefügt. Um die Materialien gänzlich auszuschöpfen, werden nach Zuschnitt der Balken, Sparren, Träger und Stützen aus dem Restholz die Schalungen für die Innenraumverkleidungen gefertigt. Hierbei wird ebenfalls eine Sortierung vorgenommen, sodass das reinere, schönere Holz zum Beispiel für die Verkleidung der Decke des Wohnzimmers verwendet wird und das vorbelastete Holz in unauffälligeren Zonen zum Einsatz kommt. Wichtig ist hier jedoch, dass das Holz gänzlich verwendet wird.

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Sozialer Wohnungsbau in Holzbauweise

Johannes Kaufmann zeigt uns im weiteren Verlauf, wie sich sozialer Wohnungsbau in Holzbauweise realisieren lässt. Angelehnt ist die Konstruktion an der Philosophie der Betonbauweise. Zunächst findet sich eine tragende Holzrahmenaußenwand, welche durch einzelne Stützen im Innenraum unterstützt werden. Die Innenwände, sowie auch die Wohnungstrennwände werden aus Trockenbau hergestellt, wobei hier zwischen verschiedenen Wandstärken unterschieden wird. 

Lediglich im Treppenhaus wird auf ein konstruktives Element aus einem anderen Material zurückgegriffen. Die Treppenläufe werden als Betonfertigteile in die Holzkonstruktion eingesetzt. 
Der Innenausbau sowie die Fassadengestaltung werden erneut durch das Material Holz geprägt. Das Ergebnis zeigt klar strukturierte Wohngebäude mit stark gegliederten Fassadenöffnungen, welche sowohl vom äußeren als auch vom inneren Erscheinungsbild durch die Holzbauweise beeinflusst sind.

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Die Logik der Vorfertigung

Vor der Vorstellung des nächsten Projektes, nimmt uns Johannes Kaufmann zu einem kurzen Exkurs in die verschiedenen Herangehensweisen des Holzbaus mit. 
Nach dem typischen Skelettbau bzw. Fachwerkbau, wo der Zusammenbau von Einzelelementen im Vordergrund steht, zeigt Kaufmann uns eine Übersicht über die Entwicklung des Holzbaus indem immer mehr auf vorgefertigte Elemente zurückgegriffen wird. Als letzten Schritt demonstriert Kaufmann die vorgefertigter Raumzelle, welche sich in der Modulbauweise etabliert hat. 

Gleichzeitig werden ebenfalls die verschiedenen Modultypologien durch Kaufmann vorgestellt. Hierbei unterscheidet er zwischen Einzelmodulen, geschlossenen, sowie teilweise offenen Modulen, wodurch sich verschiedene Projekte bzw. Nutzungen realisieren lassen. 

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SU-SI

Um die Modulbauweise in ein reales Objekt umzusetzen, wurde 1997 die erste mobile Wohneinheit aus Holzbauteilen namens SU-SI, erbaut. Hierbei handelt es sich um ein, auf Stützen aufgestelltes Einfamilienwohnhaus. Durch die Stützenkonstruktion bilden sich unterhalb der Wohnräume geschützte Freiflächen, welche als Terrassen oder auch Stellplätze genutzt werden.  Der gesamte Baukörper wurde in der Zimmerei angefertigt und schlüsselfertig auf dem Sattelschlepper angeliefert. Die Dauer des Projektes, sprich von Bestellung bis Bezugsfertigkeit, bedurfte nur 6 Wochen. 

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Hotelbau in Modulbauweise

Um die Modulbauweise weiter auszuarbeiten, versuchte sich Johannes Kaufmann 1999 an der Entwicklung eines Hotels, bestehend aus „Hotelmodulen“. Innerhalb weniger Wochen wurde auf einem bestehenden Fundament das gesamte Hotel Post in Bezau errichtet. Vorteil der Vorproduktion der Hotelboxen war neben der kurzen Bauzeit die Vermeidung von Baustellenlärm. Dieses Projekt war laut Kaufmann der Startschuss für die Modulbauweise. 
Im Anschluss an dieses Projekt plante Johannes Kaufmann ein weiteres Hotel in Dornbirn, wo aufgrund der städtischen Lage ebenfalls eine kurze Bauzeit gefordert war. Während im Erdgeschoss andere Anforderungen an die Raumgestaltung herrschten, wurde die Modulbauweise in den oberen Geschossen in drei verschiedenen Zimmergrößen umgesetzt. Jedes der Hotelzimmer umfasst neben dem Mobiliar ebenfalls ein Badezimmer, welches mit Installationsschächten mit allen notwendigen Zu- und Abläufen von Wasser, Elektrik und Lüftung von Werk aus angefertigt werden. 

Nach Transport der Raumzellen, wurde diese dann in kürzester Zeit auf dem Baugrundstück angeordnet. Dadurch das jede Box einen eigenen Boden, sowie eigene Decken und Wände besitzt und die Boxen lediglich auf vier Punkten aufeinander aufsetzen, herrscht hier ein beachtlicher Schall- und Wärmeschutz.

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Wohnen 500

Nach der Flüchtlingskrise 2015 wurde Johannes Kaufmann mit einem neuen Projekt beauftragt. Aufgrund der hohen Wohnungsnot sollten kostengünstig zahlreiche Wohnungen entstehen, welche je Einheit nicht mehr als 500€/Monat Warmmiete kosten sollten. Kaufmann entwickelte einen Gebäudetypus, welcher gänzlich in Modulbauweise errichtet werden kann. 
Gefördert wurden verschiedenen Wohnungstypen/-größen von 2- bis 3-Zimmer-Wohnungen. 
Um den zentral gelegenen Erschließungskern sollten je Etage 4 Wohnungen entstehen, welche sich jeweils aus drei Modulen zusammensetzen.  

Von der ersten Skizze über das Genehmigungsverfahren bis hin zur Bezugsfertigkeit, benötigten die ersten 20 Wohneinheiten lediglich fünfeinhalb Monate. 
Hiervon wurden durch Johannes Kaufmann bereits zahlreiche weitere Projekte entwickelt. Auch wenn die Fassadengestaltung variiert, so ist der Kern des Gebäudes, sprich der Erschließungskern mit den umgebenden Wohneinheiten immer der Gleiche. Damit leistet Kaufmann einen wichtigen Beitrag bei der Errichtung von bezahlbarem Wohnraum in Vorarlberg. 

Basierend auf der Idee des Wohnen 500, wurde anschließend der Zeilentypus Wohnen 600 für die ländlicheren Regionen entwickelt, welcher ebenfalls bis zu vier Wohneinheiten pro Geschoss beherbergt. Hier werden die 2- bis 4-Zimmer-Wohnungen über eine Laubengangerschließung mit außenliegendem Treppenhaus und Aufzug erschlossen. 
Im Rahmen der Modulbauweise lassen sich zahlreiche verschiedene Gebäudetypen realisieren. Dies veranschaulicht Johannes Kaufmann an einzelnen weiteren Projekten, wie der Hotelanlage in Wien, Wohnungsbauten, Ferienhäuser oder auch einer Arztpraxis. 

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Montagehalle Zimmerei und Tischlerei Kaufmann

Als sein wichtigstes Projekt stellt uns Johannes Kaufmann die Montagehalle Zimmerei und Tischlerei Kaufmann vor. Der Gebäudekomplex besteht insgesamt aus drei Bauabschnitten. Zunächst fand sich der ursprüngliche Familienbetrieb mit angrenzendem Wohnhaus wieder, welcher durch einen Anbau des Betriebes von Johannes‘ Bruder erweitert wurde. An beide Gebäude anknüpfend wurde dann durch Johannes Kaufmann die große Halle ergänzt. 

Die Halle selbst setzt sich aus zwei Hallenschiffen zusammen, in der die Fertigung der Module vorgenommen werden, die ähnlich wie bei einem Fließband verschiedene Arbeitsstationen durchlaufen. Nach Fertigstellung der Module werden diese in den anderen Hallenteil transportiert, auf Ihre Qualität geprüft und anschließend bis zum Weitertransport gelagert. 

Bei der Planung wurde darauf geachtet, dass die Halle sich in die Landschaft einbindet. Durch die Anforderungen an Montage und Lagerung der Module, ergeben sich somit zwei Höhenanforderungen an die neu zu errichtende Halle. Hierbei orientiert sich der niedrigere Gebäudeteil in Richtung des Dorfes, während sich der Höhere in Richtung der Landschaft erstreckt. Durch die unterschiedlichen Gebäudehöhen bieten sich weitere, großzügige Belichtungsflächen an. 
Das statische System besteht aus einer Flucht von fünf eingespannten Betonstützen, welche mit darüberliegenden Doppelfachwerken, die Dachkonstruktion, sowie die Kranbahnanlage für die Modulproduktion abfängt. 

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Bürobauten in Holzbauweisen

Zum Schluss seines Vortrags zeigt Johannes Kaufmann ein fünfgeschossiges Bürogebäude in Holzbauweise. Neben zwei außenliegenden Stützenreihen findet sich mittig des Gebäudes eine weitere, jedoch asymmetrische angelegte Reihe an Stützen. 
Der Erschließungskern mit Aufzugsanlage ist vollumfänglich in Holzbauweise ausgebildet und bildet somit ein aussteifendes Element des Objektes. Kaufmann betont bei dieser Konstruktionsart die Flexibilität der Büronutzung.

Als letztes Projekt zeigt Kaufmann jedoch auch ein Bürogebäude in Modulbauweise, weist aber hier darauf hin, dass die Modulbauweise im Bürobau, aufgrund der erhöhten Konstruktionsflächen, nicht immer von Vorteil ist. 

Kreislaufwirtschaft

Johannes Kaufmann betont, dass die von ihm geplanten Bauprojekte in ihrer Materialität rein bleiben sollen. Auf Anstreichen, Ölen oder Ähnliches aller Materialien wird verzichtet, um die Sortenreinheit zu wahren. Dieser Aspekt gilt ebenfalls bei dem Zusammenfügen von Bauteilen. So versucht Johannes Kaufmann auch weitestgehend auf Klebe- oder Leimverfahren zu verzichten, sodass die Häuser bzw. auch die einzelnen Module bei Abbau, wiederverwendet werden können. 

Er betont, dass es bei Abbau eines Gebäudes nicht darum geht ein Gebäude bestmöglich zu recyclen, sondern dass die Gebäude wiederverwendet werden können. 

Text: Kim Kelly Kellershohn, MA-Studierende
Fotos: Johannes Kaufmann Architekten, Larissa Schaffrath