architectural tuesday | Wolfgang Pehnt | Nachbericht
Im Rahmen der architectural tuesday Reihe ‚Mies im Westen‘ begrüßten wir als dritten Vortragenden Dr. Wolfgang Pehnt mit seinem Vortrag „Ur-Ereignis des Bauens/ Ludwig Mies van der Rohe und Rudolf Schwarz, eine Architektenfreundschaft“. Dieser fand wieder begleitend zur Ausstellung „Mies im Westen“ im Landeshaus des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) statt und thematisierte, wie der Titel schon verrät, das Verhältnis zwischen dem deutschen Architekten Rudolf Schwarz mit dem Weltarchitekten Mies van der Rohe.
Dr. Wolfgang Pehnt gilt als einer der bedeutendsten deutschen Architekturhistoriker und Architekturkritiker unserer Zeit. Seit Jahrzehnten begleitet er publizistisch die deutsche Architekturszene ebenso kritisch wie kompetent.
Die erste Zusammenarbeit der beiden Architekten entstand durch einen Artikel, den Schwarz als Redakteur über Mies in einer Zeitschrift veröffentlichen wollte. Es entstand eine Freundschaft und die beiden pflegten eine persönliche Beziehung. Beispielsweise schrieb Schwarz über ein Treffen, bei dem Mies mit ihm zu einem Strauch wanderte, um zu zeigen wie dieser duftet.
Beide Architekten stimmten darüber überein, dass die Baukunst neue Möglichkeiten des Ausdrucks bietet. Ein genanntes Beispiel ist der Umbau der Burg Rothenfels am Main, eines der ersten Projekte von Rudolf Schwarz, bei dem er neue Technik einsetzte: So entwickelte er Methoden für die Einschaltung künstlicher Lichtquellen, die über dem natürlichen Licht standen.
Technik wurde auch konstruktiv als ein nützliches, kraftvolles Mittel eingesetzt. Beispiel hierfür ist die St. Fronleichnam Kirche in Aachen, bei der Schwarz eine Konstruktion nutzte, um einen großen quaderförmigen Raum zu schaffen. Pehnt zitierte: „Technik ermöglicht Raum wie ein schweigsamer Diener“ und bezog sich auf die Kirche, bei der die Mittel der Raumüberbrückung nicht sichtbar waren.
Durch die Wahl der Materialität und Geometrie gilt das Bauwerk als eines der radikalsten Sakralbauten unter der Planung von Schwarz.
Mies van der Rohe erstellte einen Entwurf für den Umbau der neuen Wache, welcher eine ähnliche Bauweise teilte wie die Kirche. Ein hoher rechteckiger Raum, bei dem die Technik, also das Tragwerk für die Decke jedoch versteckt blieb.
In weiteren Entwürfen von Mies, wie dem Deutschen Pavillon von 1934 und dem Nationaltheater in Mannheim von 1953 ist erkennbar, dass der Architekt weitflächige und hohe Räume plante, um Spielräume für Veränderungen zu ermöglichen.
Außerdem stellte Wolfgang Pehnt noch zwei weitere Sakralbauten von Rudolf Schwarz vor, bei denen die Technik nun sichtbar wurde. Das war zum einen die St. Anna in Düren von 1951-56, welche aus weit gefassten Räumen und hohen, hellen Raumfiguren besteht. Zum anderen die St. Christophorus in Köln-Niehl, welche auf das Minimalste geplant wurde. Zum Beispiel ähneln die Obergardenfenster einer Industriewerkhalle und das Gerüst als Tragwerk ist überall sichtbar.
„Wir bauen augenblicklich fast nur Kirchen. Es ist jedes Mal eine gleich schwere und verzweifelte Arbeit. Man möchte meinen allmählich könnten wir das, aber in Wirklichkeit ist es gerade umgekehrt. Es wird jedes Mal schwerer.“ – Rudolf Schwarz, 1957
Es soll wohl Mies‘ Wunsch gewesen sein selbst mehr Kirchen zu bauen, jedoch ist der einzige Sakralbau die St. Savior in Chicago. Hierbei trägt eine Stahlskelettkonstruktion das Dach und die Wände bestehen aus Ziegeln. Wie es typisch für einen Entwurf von Mies‘ war, verwendete er gute Materialien und edle Proportionen.
Schwarz spielte nach dem Krieg für den Wiederaufbau von Köln eine große Rolle, plante viele katholische Kirchen in Westdeutschland und hatte so eine steile Laufbahn.
Mies van der Rohe dagegen erlangte internationale Anerkennung und wurde durch seine Stahl- und Glassfassaden, Flachdach und Hochbauten zu einem Weltarchitekten.
Trotzdem blieb die Freundschaft der beiden erhalten und sie hatten weiterhin Kontakt. Mies schickte Carepakete aus Chicago und erhielt großen Dank von Schwarz.
Abschließend zeigt Wolfgang Pehnt eine Postkarte nach dem Kupferstich der Geburt Christi von Albrecht Dürer aus dem Jahr 1504. Diese schickte Mies van der Rohe zu seinem in Deutschland daheimgebliebenen Freund Rudolf Schwarz als Weihnachtsgruß, obwohl er nicht viel Briefverkehr pflegte.
Text: Jakob Schäfer
Bilder vom Vortrag: Michael Heuss
Quellen: Lake Shore Drive Apartments