Gender lectures in architecture | Auftakt mit CLAIMING*SPACES

Am 03. Juli 2024 fand die Auftaktveranstaltung der neuen Veranstaltungsreihe „Gender Lectures in Architecture“ statt, die von der Fakultät für Architektur der TH Köln in Kooperation mit der architektinnen.initiative nw veranstaltet wird. Als erste Gäst:innen der Reihe kamen Inge Manka, Petra Hirschler, Ana Tiripa und Sophie Stackmann aus dem Wiener Kollektiv CLAIMING*SPACES an den Deutzer Campus. Das Kollektiv gründete sich 2019 an der TU Wien als Bottom-up-Gruppe aus Studierenden, Absolvent:innen, Lehrenden und Forschenden in Vorbereitung auf die erste CLAIMING*SPACES Konferenz. Seitdem setzen sich die Mitglieder der Gruppe für eine intersektional-feministische Perspektive auf Architektur und Raumplanung in der Lehre, im Hochschulleben und auch darüber hinaus ein.

Pink-Glasses-Walk


Die erste Gender Lecture an der Kölner Fakultät war ein dreiteiliges Programm: Der Einstieg waren Pink-Glasses-Walks, es folgten verschiedene Kurzvorträge und anschließend wurde in kleinen Tischgruppen diskutiert. 

Rund 30 Personen fanden sich am späten Nachmittag für die Pink-Glasses-Walks am Campus Deutz ein und wurden von Hannah Häusler begrüßt, die als Studierende diesen Abend maßgeblich initiiert und mit anderen Studierenden und Absolvent*innen begleitet hat. In Kleingruppen wurde gemeinsam mit CLAIMING*SPACES das Hochschulumfeld erkundet und als Zeichen der Sichtbarkeit – und als ironischen Hinweis auf die stereotype Hornbrille von Architekturschaffenden – trug jede Gruppe eine große pinke Brille mit sich. Besonders spannend war hier die Synergie aus Personen, die eigene Erfahrungen mit Räumen und Orten am Campus teilten, aber auch die Eindrücke von Personen, die durch das Interesse an der Veranstaltung zum ersten Mal dort waren.



Input-Vorträge


Zurück in der TH folgten nach einer Begrüßung von Yasemin Utku, Professorin für Städtebau und Planungspraxis an der TH Köln, und Karin Hartmann, Vorsitzende der architektinnen.initiative nw, die Input-Vorträge von CLAIMING*SPACES, die von rund 50 Personen besucht wurden. Inge Manka, Senior Scientist am Institut für Kunst und Gestaltung, führte kurz in die Entstehung von CLAIMING*SPACES ein und beleuchtete die Aspekte der Intersektionalität sowie der posthumanistischen Architektur, bei der die Umwelt sowie die darin Lebenden in ihrer Ganzheit mit einbezogen werden.

Darauf aufbauend stellte Karin Hartmann das im Rahmen ihrer CLAIMING*SPACES-Gastprofessur realisierte Projekt “WHOSE TIME(S)? GEKOMMEN UM ZU BLEIBEN” vor, in dessen Rahmen sich die Studierenden kritisch und künstlerisch auf verschiedenen Ebenen mit dem Berufsbild der Architektur auseinandersetzen und ein eigenes intersektional-feministisches Bild entwickeln konnten. Petra Hirschler, Universitätsassistentin am Institut für Raumplanung, brachte daraufhin die Perspektive ihrer Disziplin mit ein und plädierte für eine Etablierung des Gender Planning im Rahmen des Gender Mainstreams, also der Verpflichtung zur Einbeziehung diverser Geschlechterperspektiven.

Darauf folgend ging Ana Tiripa, studentisches Mitglied des Kollektivs, auf die Problematik von Care und sozialer Reproduktion ein. Mit Blick auf die Care-Krise, d.h. die gesellschaftliche Benachteiligung von Personen, die (un)bezahlt im Bereich von Pflege, Betreuung und Erziehung tätig sind, betonte sie die Notwendigkeit zur Raumschaffung und auch der Betrachtung der Architekturausbildung. Letztere solle weg von dem Expertentum und der Passivität gegenüber dieser Problematik, hin zu einem offenen und interdisziplinären Denken. Das Ziel sei die Wahrnehmung der Differenzen als positive Vielfalt. Zum Schluss der Vorträge stellte Sophie Stackmann, Universitätsassistenz am Lehrstuhl für Denkmalpflege und Bauen im Bestand, das Forschungsprojekt “Stummes Erbe – Queerfeministische Bestandspflege tabuisierter Räume”, das das Werk marginalisierter Personen in der Geschichte wieder sichtbar machen und die Architekturgeschichte gendersensibel beleuchten will.

Diskussion an Thementischen


Anschließend an eine kurze Fragerunde mit den Zuhörenden, die viele Fragen zu der Gründung und Arbeit des Kollektivs sowie der alltäglichen Arbeit und Auseinandersetzung mit den intersektional-feministischen Themen im Hochschulkontext hatten, verteilten sich alle an die Tische, um die Diskussion in kleinen Runden fortzusetzen. Dort wurden mit je einer wienerischen Begleitung die auf die TH Köln bezogenen Fragen “Wo stehen wir?” und “Wo wollen wir hin?” diskutiert. Die festgehaltenen Erkenntnisse, die von lösungsorientierten Gegensatzpaaren bis hin zu einer systematischen Betrachtung des großen Ganzen gingen, wurden im Anschluss kurz vorgestellt und eingeordnet. 

Nach nun rund drei Stunden voller interessanter Eindrücke, Erfahrungen und Diskussionen endete die erste Gender Lecture in Architecture mit einem geselligen Ausklang bei Pizza und Getränken – und weiteren lebhaften Diskussionen. 



Wir danken CLAIMING*SPACES herzlichst für diesen bereichernden Abend und freuen uns auf weitere Gender Lectures in Kooperation mit der architektinnen.initiative nw, um die intersektional-feministische Perspektive in den Hochschulalltag und auch das Berufsleben zu tragen. Denn, um die Wiener Gästinnen zu zitieren: “Es geht nicht darum, wie einzelne Geschlechter bauen. Die Perspektiven müssen an alle vermittelt werden, damit man sie ein- und umsetzen kann.”

 

Text: Hannah am Ende
Fotos: Hannes Soballa