Chicago-Exkursion | Nachbericht I Mai 2017

Vom 01.-09.Mai 2017 haben 20 Studierende aus dem Bachelor- und Masterprogramm der TH Köln unter Leitung von Prof. Fabian Storch und WMA Sarah Pallischeck eine Fachexkursion unter dem Titel „125 Jahre Architektur + Moderne“ in die amerikanische Architekturmetropole Chicago unternommen. Begleitet haben die Gruppe darüber hinaus Prof. Andreas Denk, der für eine fundierte und kritische Einbettung in den Kontext der Architekturgeschichte Sorge getragen hat, sowie Prof. Chris Schroeer-Heiermann mit seinen spezifisch lokalen, amerikanischen Perspektiven auf bau- und soziokulturelle Aspekte.

Im Zentrum der Exkursion standen die Stil und Epoche prägenden Bauten und Architekturen dieser Zeitspanne mit einem Schwerpunkt auf Louis Sullivan, Frank Lloyd Wright und Mies van der Rohe und Ihr Einfluss bis heute. Ergänzend und bereichernd waren darüber hinaus persönliche Einblicke hinter die Kulissen, die uns mehrere namhafte Büros und Firmen gewährt haben. Auch wurde jenseits des Fachexkursionsprogrammes noch gesteigerter Wert auf  soziokulturelle Einblicke und Erfahrungen gelegt, da ein Großteil der Studierenden das erste Mal in die Vereinigten Staaten gereist war.



Am Montag, den 1.Mai ging es in aller Früh mit dem Flugzeug von Köln über Berlin nach Chicago. Nach einer langen Flugreise und schadloser Bewältigung aller Einreiseformalitäten sind wir sofort zu einem ersten Rundgang durch die Stadt, entlang des Chicago-Rivers und der Lake Front, aufgebrochen und haben die Strapazen des ersten Tages mit einer phänomenalen „Chicago-style“-Pizza zu einem reichhaltigen Ende bringen können.



Nach Zeitumstellung bedingter frühmorgendlicher Bettflucht sind wir am Morgen des 2.Mai bei nahezu arktischen Wetterverhältnissen expeditionsfreudig an Board der „Chicago’s First Lady’s“ zur berühmten River-Cruise der Chicago Architecture Foundation (CAF) aufgebrochen. Nach einem umfassenden und perspektivisch einmaligen Überblick über das hoch verdichtete Zentrum Chicago’s, sind wir zu einem ersten strukturierten Stadtspaziergang aufgebrochen. Besonders erwähnenswert sind dabei das „Monadnock Building“ von Burnham&Root/ Holabird&Roche, das „Auditorium Building“ von Louis Sullivan, das Ensemble des sog. „Federal Center“ von Mies van der Rohe, aber auch Beispiele der Post-Moderne („H.Washington Library Center“) sowie des Art-Deco („Chicago Board of Trade“). Vertieft wurden die einzelnen Besichtigungen durch Kurz-Referate der Studierenden, die immer wieder auch in kurzen Diskussionsrunden der Gruppe gemündet sind.

Der Mittwoch, der 3.Mai war ein Sprung durch die Epochen. Unter freundlicher Mithilfe der CTA haben wir fast pünktlich um 9h anhand einer 1-stündigen Tour sowie exklusiver Studienzeit im Haus, einen ganz wichtigen Vorreiter der Moderne intensiv studieren können, das „Robie-House“ von Frank Lloyd Wright, welches wir vor allem durch anregende Diskussionen zum Einfluss von F.L.Wright auf die kommende Epoche der Moderne genutzt haben. Die Nachbarschaft von „Hyde Park“ in der South Side von Chicago wird geprägt durch die ehrwürdige „University of Chicago“, die im Stile eines englischen Universitätscampus neo-gothisch gestaltet und als Gegenmodell zur Zukunftsgläubigkeit der Weltausstellung von 1893 konzipiert wurde und eine besondere, auch durch moderne Gebäudeergänzungen geprägte, Insel von elitärer Wissenschaft und Forschung darstellt.

Zurück in der Stadt haben wir dann den Chicagoer Architekten und besonderen Zeitzeugen, Herrn Dirk Lohan, in seinem Büro besucht. Der Enkel von Mies van der Rohe hat sich als freundlicher und entgegenkommender Berichterstatter gezeigt. Ein weiterer Vertreter der „Enkel-Generation“ der 2. Chicagoer Schule, der deutsch-amerikanische Architekt Helmut Jahn, hat uns im „Jewelers’ Building“ die Türen geöffnet und Einblick in sein Büro und sein sehr internationales oeuvre gewährt. Was wäre die Musik-Stadt Chicago ohne den Besuch eines Blues Clubs. Im „Buddy Guy’s Legend“ haben wir uns einer mitreißenden Jam-Session lokaler Blues-Größen hingegeben und ist uns der „Sound of Chicago“ ins Blut übergegangen.


Der 4.Mai stand ganz im Zeichen DER Ikone der Moderne, wenn nicht gar des 20.Jhdts., des „Farnsworth-House“ in Plano, Illinois. Per Bus zum Tagesausflug und mit viel, viel Glück in Bezug auf die gerade abgeklungene Überschwemmungssituation des Grundstückes, haben wir die einmalige Chance genutzt, auf Socken die minimalste und schönste Ausformulierung baulicher Entmaterialisierung überhaupt zu genießen und zu studieren. Wir haben noch lange über Aspekte wie „Tansparenz“, „Hülle/Haut“ und „Privat/Öffentlich“ gesprochen. Legendary bus-driver Dave hat uns auf der Rückfahrt sowohl die ur-amerikanische Gebäudetypologie „Factory Outlet Center“ im Praxisstudium näher gebracht, nein, er hat uns auch direkt am Fuße des „Willis-Towers“ (ehem. Sears Tower) abgesetzt. Das nahezu ein Vierteljahrhundert lang höchste Haus der Welt war unser Etappenziel für den nahenden Sonnenuntergang. Aus der 103. Etage (412m) boten sich phantastische Blicke über den Großraum Chicago und den Lake Michigan. Für die besonders Mutigen (scheinbar Alle 😉 gab es noch den Kick der gläsernen Balkone, auf denen scheinbar unbeschwert die Nahtoderfahrung über dem Abgrund zelebriert werden konnte.



Der Vormittag des 05.Mai war der Immobilienwirtschaft gewidmet. Zu Gast im Global Headquarter des internationalen Beratungsunternehmens Jones Lang LaSalle (JLL) haben wir interessante und aktuelle market insights über die amerikanische Volks- und Immobilienwirtschaft mit Fokus auf den lokalen Markt erhalten. Besonders die rasante Re-Urbanisierung und stark veränderte Flächen- und Produktnachfrage waren sehr hilfreiche Erkenntnisse, auch um die Stadt besser „lesen“ zu können. Ein weiteres Highlight war danach sicherlich der Besuch des IIT-Campus („Illinois Institute of Technology“), des ersten und größten zusammenhängenden Werkes von Mies in Amerika. Hier konnten wir in der „S.R. Crown Hall“ großartigen, stützenfreien Raum erleben und mit Modellen beladene Architekturstudenten beim Abbau der Semesterausstellung beobachten. Auch ergänzte Neubauten am Campus von Rem Koolhaas („McCormick Tribune Campus Center“) und Helmut Jahn sind nicht unentdeckt geblieben. Zurück in Downtown Chicago haben wir dann noch eine Büroführung mit Q&A Session im Büro Goettsch Partners genießen dürfen. Principal Joachim Schüssler hat unseren Studierenden, einen interessanten Einblick in die Arbeitsweise eines großen, amerikanischen Architekturbüros gegeben. Bei Sonnenschein und selten frühlingshaften Temperaturen haben wir uns dann den Millenium Park erlaufen, seine Landschaftsarchitektur genossen, großartige Public Art gesehen und den vielleicht typologisch besten Frank L. Gehry bewundertrr („Pritzker Pavillion“). Einen mehr als verdienten Ausklang fand dieser Freitag im ehem. Meatpacking District im Westen des Loop beim wohl besten Smoked BBQ ever. Extremely delicious!!!









Samstag, 06.Mai, begann mit einem besonderen und sehr persönlichen Programmpunkt. Ganz spontan hatte uns Dirk Lohan in sein privates Penthouse in den berühmten „Lake Shore Drive Appartments“ eingeladen und uns nicht nur ALLE Türen geöffnet, sondern auch sehr einfühlsam und respektvoll von seinen Begegnungen mit Mies erzählt. Unser besonderer Dank gilt diesem großzügigen und zuvorkommenden Mann mit seiner unprätentiösen und herzlichen Art, der uns mit all seinen Ausführungen unwahrscheinlich berührt und bereichert hat. Auch hatten wir noch die Gelegenheit ein zweites Apartment im Gebäudekomplex zu besichtigen, welches sich noch nahezu im Originalzustand befand. Der Nachmittag stand dann endlich mal zur freien Verfügung, für individuelle Erkundungstouren oder kommerzielle Bedürfnisse. Am Abend haben wir uns dann im legendären, über 100-jährigen Wrigley-Field einer sehr amerikanischen Sportveranstaltung hingegeben. Wir haben ein Baseball-Spiel der Chicago Cubs gegen die New York Yankees von Anfang bis Ende gesehen, inkl. Nationalhymne, drei Stunden drinks, chips und ein bisschen sportive Aufregung bei den wenigen „home runs“. Für Einige war aber dann noch lange nicht Schluß, denn schließlich wird auch des Nachts besonders gut Land, Stadt, Kultur und Subkultur studiert und das ist auch gut so.


Am Sonntag, den 07.Mai ging es etwas später los. Sonne, Pancakes & Co. haben den Start nach kurzer Nacht erleichtert und haben einen Großteil der Gruppe mit dem „L“-Train nach Westen in den Villenvort Oak Park geführt. Hier konnten wir, rund um sein Home & Studio noch einmal die ersten Schaffensjahre des jungen Frank Llyod Wright studieren und in milder Frühlingsfrische seine zahlreichen Villen unterschiedlichster Prägung auf uns wirken lassen. Den phänomenalen Ausklang und Abschluss der Exkursion bildeten der nächtliche Besuch auf dem Skydeck des John Hancock Towers, ausklinkender Kirmesfassade und mit anschließender Runde Cocktails im eleganten Signature Room mit grandiosem Ausblick aufs nächtliche Chicago.


Montag, 08. Mai war dann Abreisetag und bot noch etwas Zeit für „Liegengebliebenes“ oder „Vergessenes“. 3 Hartgesottene Sullivan-Jünger nutzten noch die absolut letzte Chance das Auditorium Building, jenen mythischen Ort der Architekturgeschichte von Louis Sullivan, von Innen zu besichtigen und hatten das große Vergnügen, den wohl lustigsten, schlagfertigsten, dabei tanzenden und „jam“-enden architecture guide Chicagos zu treffen. Ein spätes i-Tüpfelchen einer aufregenden und sehr intensiven Woche. Am Dienstag, 09.Mai, sind wir alle wieder wohlbehalten in Köln gelandet.

Verfasser: Prof. Dipl.-Ing. Fabian Storch
Fotos: Lehrende und Studierende der TH Köln