architectural tuesday | Martina Löw
Im Rahmen der architectural tuesday Reihe „Die soziale Logik des Raumes“ begrüßte die Architekturfakultät am Dienstag den 09. Juli 2015 die Soziologin Prof. Dr. Martina Löw.
Martina Löw gilt als bedeutendste junge Stadttheoretikerin Deutschlands, hat in Marburg und Frankfurt Erziehungswissenschaft, Soziologie und Psychologie studiert, war Assistentin an der Universität in Halle und hat an der TU Berlin sowie am Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main gelehrt. Heute leitet Prof. Martina Löw an der TU Berlin das Fachgebiet Planungs- und Architektursoziologie am Institut für Soziologie. Sie publizierte verschiedenste Werke, darunter die bekannten Werke „Soziologie der Städte“ und „Raumsoziologie“.
Nach der Begrüßung durch Professor Andreas Denk und einer Einführung zur Person durch Sabine Schmidt begann Martina Löw ihren – ohne Folien auskommenden – Vortrag mit dem Titel ‚Space Oddity. Raumtheorie nach dem Spatial Turn’ mit Beispielen, wie Raum aus ganz unterschiedlichen Disziplinen gesehen werden kann.
David Bowies Song `Space Oddity`, den allseits bekannten Hit `Völlig losgelöst` von Major Tom, sowie Hannah Arendts Äußerungen dem „Gefängnis der Erde zu entrinnen“, nehmen allesamt – nach der erfolgreichen Landung der Apollo 11 auf dem Mond im Jahr 1969 – Bezug auf die Erweiterung des Raumes bis ins Universum. Dabei prägten die Verwirrung über sich wandelnde Raumbezüge und die Ausweitung menschlicher Handlungsräume das 20. Jahrhundert und den Raumbegriff entscheidend.
Gerade die Umbruchjahre 1990-2000, in dem der ‚Spatial Turn’ Einzug in die Geistes-, und Planungswissenschaften erhielt, initiierten einen Gedankenumbruch, Raum nicht mehr, wie bisher, als Behälter oder Container, sondern als relational zu begreifen.
Ausgehend von der Auffassung vor dem modernen Zeitalter, dass Raum immer etwas mit territorialen Raumabgrenzungen zu tun habe, erläuterte Löw den Wandel des Begriffs im Laufe der Jahrzehnte. Vor den zwei Weltkriegen galt Raum als „Leitkategorie des politischen Handelns“, besonders in der Kolonialzeit, im Imperialismus und im Nationalsozialismus, in denen man Raum als zu verteidigendes, zu eroberndes und später auch als auszuweitendes Objekt betrachtete.
Aber auch August Schmarsows Anschauung des Raumes, nachdem Architektur eine Raumgestalterin sei, Einsteins Relativitätstheorie, sowie Picassos Malerei, mit dem Versuch den Bildraum aufzusprengen, weichten den bis ins 20. Jahrhundert determinierten Raumbegriff auf.
Das bis heute festgesetzte Denken, dass Raum auch Territorium mit sich bringt, führe dazu, dass zwei parallele staatliche Herrschaftsgebiete undenkbar erscheinen (Beispiel: Israel Palästina). Das Territorium bzw. das Staatsgebiet zeichnet sich dadurch aus, dass innen eine Homogenität gegeben ist, die in Abgrenzung zur Äußeren Heterogenität steht.
Das bis heute festgesetzte Denken, dass Raum auch Territorium mit sich bringt führe dazu, dass zwei parallele staatliche Herrschaftsgebiete undenkbar erscheinen, Beispiel Israel Palästina. Das Territorium, bzw. das Staatsgebiet zeichnet sich dadurch aus, dass innen eine Homogenität gegeben ist die in Abgrenzung zur Äußeren Heterogenität steht.
Durch verschiedene Faktoren des modernen Zeitalters, wie die Weltraumexperimente, die Globalisierung und die Schaffung von virtuellen Räumen, gelänge ein internationaler und interdisziplinärer Umschwung im Denken um den Raumbegriff, so Löw. Gerade nach den 70er Jahren vollzog sich der Wandel beginnend mit der Annahme, dass der Raum irrelevanter geworden sei, bis zum heutigen Verständnis, dass man Raum aus den Beziehungen heraus verstehen müsse und er vielmehr ein Netz sei, dass zwischen zwei Objekten gespannt wird. Somit sei das Verständnis von Raum ein am Anfang stehender dynamischer Prozess.
Die Architekturtheoretikerin Christina Hilger kritisiert, dass trotz der vernetzten Dynamik der Gesellschaft bis heute der statische architektonische Raum als Rahmen, Hintergrund oder Repräsentation von sozialen Handlungen und Bewegungen das Denken präge. Gebäudeform, -technik, Fassade und Innenraum können kaum als Beziehungsgefüge verstanden werden, sondern werden entsprechend der Projektphasen nacheinander abgehandelt. Dies habe zur Folge, dass es eine starke Innen-/Außenopposition gebe und die Wirkung getrennter Raumrealitäten durch in sich abgeschlossene Planungselemente entstehe.
Eine relationale Raumdefinition sei laut Löw mittlerweile `State of the Art` und hat Einzug in die Hochschulen erhalten. Raum werde nicht als gegeben betrachtet, sondern die gebauten Elemente stellen Strukturierungsangebote dar. Zudem sei Raum an die Praxis gebunden und Objekt des Wissens. Dadurch entstehe ein dynamischer Raumbegriff.
Welche Konsequenzen zieht man aus dem neuen Raumbegriff?
Löw plädiert dafür, Raum als eine relationale Anordnung sozialer Lebewesen und Güter an Orten zu begreifen. Raum sei eine Kategorie, die nur als Arrangement existiere und als Synthese verschiedener Dinge funktioniere. Dabei seien die Relationen zwischen Dingen, Dingen und Lebewesen und zwischen Lebewesen in Betracht zu ziehen. Die Theorie über Raum sei erschwert durch die intensivierten, räumlich strukturierten Abhängigkeiten, die im postmodernem Zeitalter durch globale Verflechtungen und mediale Umwälzungen weiter zunähmen.
Der Abend schloss mit einer umfangreichen Frage- und Diskussionsrunde ab.
Zum letzten Vortrag der Reihe am 16.06 ist der Architektur- und Raumtheoretiker Prof. Dr. Wolfgang Meisenheimer zu Gast, der einen Vortrag mit dem Titel `Der Leib als kommunikatives Element` halten wird.
Text: Lynn Kunze
Fotos: Yvonne Klasen