ATuesday | Boštjan Vuga

Über den öffentlichen Raum als Mehrwert des architektonischen Objekts und über den Umgang seiner Arbeit mit diesem sprach am 25. November 2014 Boštjan Vuga von Sadar+Vuga und setzte damit den Startschuss des zweiten, zeitgenössischen Teils der aktuellen Vortragsreihe „Slowenien“.

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Das 1996 von Jurij Sadar und Boštjan Vuga gegründete Büro Sadar+Vuga in Ljubljana reiht sich in eine Gruppe junger Architekturbüros ein, die zur Zeit des politischen Umschwungs in Slowenien bereits in jungen Jahren die Möglichkeit bekamen, das von Plecnik und Ravnikar geprägte Stadtbild Ljubljanas durch zeitgenössische Architektur zu ergänzen. Parallel zur politischen Lage bekam so auch das Stadtbild einen zunehmend gegenwärtigen und globalen Charakter, der nicht nur symbolisch zu verstehen ist. Von der politischen und sozialen Wirksamkeit der Architektur überzeugt, verfolgen Sadar+Vuga das Ziel die Öffentlichkeit stets in das Gebaute mit einzubeziehen. So beschreibt Boštjan Vuga seine Architektur als Hardware, die durch den Menschen als Software die Möglichkeit bekommt das System Stadt zu verändern und sozial wirksam zu werden. Die Interaktion der Öffentlichkeit mit dem gebauten Objekt wird mit dem Projekt des Brunnens in dem kleinen Örtchen Solkan deutlich, die Sadar+Vuga 1998-2001 realisierte. Zwei steinerne, ineinander verschobene Halbschalen bilden ein dynamisch erscheinendes Monument, das nicht nur durch die Betrachtung, sondern vor allem durch die Benutzung von Kindern die Atmosphäre des zentralen Stadtraums veränderte.

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Übergeordnet lassen sich die Bauten von Sadar+Vuga in eine von drei Kategorien einordnen, die auf unterschiedliche Weise das gemeinsame Ziel verfolgen die Öffentlichkeit in den architektonischen Raum zu integrieren. Die Oberbegriffe „Front Plaza“, „Mezzanine“ und „Promenade“ sind unabhängig von spezifischen Eigenschaften wie Gebäudegröße, Raumprogramm oder Budget und gliederten zudem den Vortrag unseres Gastes.

Unter der Kategorie „Front Plaza“ stellte Bostjan Vuga das Projekt „Chamber of Commerce and Industry of Slovenia“ in Ljubljana vor. 1996 gewannen Sadar+Vuga den Wettbewerb der Industrie- und Handelskammer, die zwischen 1997 -1999 als erster Bau des jungen Büros realisiert werden konnte. Das in seiner Nutzungsstruktur vielschichtige Bauwerk lässt sich in zwei klar voneinander zu unterscheidende Bereiche gliedern. Die öffentlichen Nutzungen, wie Räume für Konferenzen und Vorträge, Bibliothek, Galerie und Orte der Begegnung prägen durch ihre vertikale Anordnung in Form von gestapelten Raumkisten die Vorderseite des Gebäudes und schaffen durch ihre im Inneren offene Gestaltung Raum für visuelle und soziale Interaktion. Durch die kompakte, vertikale Stapelung der Funktionen kann das Gebäude von der Straße abrücken und gewinnt so an Fläche für einen großzügigen, öffentlichen Vorplatz, der als Geschenk an die Stadt verstanden werden kann. In Abstufung zu dem öffentlichen Platz und den daran angrenzenden, halböffentlichen Nutzungen befindet sich im hinteren Teil der privatere Bereich mit Büronutzungen. Die zwei unterschiedlichen Einheiten des Gebäudes setzen sich nicht nur visuell, sondern auch konstruktiv voneinander ab. Während der vordere Teil des Baus im Stahlbau ausgeführt wurde, basiert der hintere Gebäudeteil auf einer Betonkonstruktion. Das Gebäude der Industrie- und Handelskammer umfasst viele grundlegende Entwurfsgedanken aus dieser Zeit, die auch in späteren Arbeiten wiederentdeckt werden können. Das Spezifische des Büros liegt, so betonte Bostjan Vuga während des Vortrags, nicht in der Wiedererkennung einer einheitlichen Formensprache.

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So unterscheidet sich das zweite von Sadar+Vuga realisierte Gebäude, die neue Eingangshalle für die Nationalgalerie Sloweniens in Ljubljana, in seiner Formsprache vom ersten Projekt und lässt sich in die Kategorie „Mezzanine“ einordnen. Aufgabe des 1996 ausgelobten Wettbewerbs war es die Lücke zwischen den beiden bestehenden Gebäuden des Nationalmuseums zu schließen, sie so zu verbinden und einen neuen Eingang zu definieren. Gleichzeitig sollte die Eingangshalle einen barocken Brunnen integrieren und die bestehende Sichtachse zwischen Stadtzentrum und Tivoli Park beibehalten. Die Lösung dieser Vorgaben fanden Sadar+Vuga in einer Konstruktion aus drei unterschiedlich großen Stahlrahmen, die einen klaren, offenen Raum in der Sichtachse formulieren und über die Längsrichtung gleichzeitig die Möglichkeit besitzt den Raum auf komplexere Weise erfahrbar werden zu lassen. Die aus der Konstruktion entstandenen drei Ebenen bilden vom Erdgeschoss aufwärts beschrieben den Eingangsbereich mit Verbindung der Bestandsbauten, einen Ort für Veranstaltungen und eine Ebene, um die Ausstellungsräume der oberen Geschosse zu verbinden. Die sich in ihrer Atmosphäre klar von den beiden Museumsgebäuden abgrenzende neue Eingangshalle kann in ihrer zum Stadtraum geöffneten Erscheinung zudem als öffentliches Wohnzimmer Ljubljanas verstanden werden.

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Das in die letzte Kategorie der „Promenade“ einzuordnende Projekt „Cultural Center of EU Space Technologies (KSEVT)“ entstand 2012 in Zusammenarbeit mit den slowenischen Architekturbüros Ofis, Dekleva Gregoric und Bevk Perovic, die wir in den kommenden Wochen ebenfalls als Gast zu unserer Vortragsreihe begrüßen dürfen. Gemeinsam entwarf die Gruppe im slowenischen Vitanje das Kulturzentrum für europäische Raumfahrttechnologien. Zu Ehren des österreichisch-slowenischen Raumfahrttheoretikers Herman Potocnik Noordung wurde das Kulturzentrum in der Heimatstadt seiner Mutter im Norden Sloweniens realisiert. Basierend auf Noordungs Entwurf des „Wohnrads“ aus seinem Buch „Das Problem der Befahrung des Weltraums – der Raketen-Motor“ von 1929 besteht das Gebäude aus zwei unterschiedlich großen ineinander verschränkten Zylindern. Als Rundgang konzipiert, zieht sich die Promenade als Ausstellungsort durch den höchst dynamisch wirkenden Raum und führt über Dach an der Außenseite der Fassade zurück zum Anfangspunkt. Dabei spielt die Bewegung eine maßgebliche Rolle für die Erfahrung des Raums und wird von unterschiedlichen sich einstellenden Atmosphären begleitet. Das Volumen der zwei verschmolzenen Objekte als ein großer Raum kann als Veranstaltungsraum für private Jubiläen als auch für wissenschaftliche Treffen genutzt werden. So wird das Gebäude zum Katalysator für Veränderungen der kleinen Stadt im Norden des Landes. Die „software“ ist dabei natürlich die treibende Kraft.

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Dass es durchaus auch Bauwerke gibt, die nicht in eine der drei vorgestellten Kategorien einzuordnen sind, weil es die Nutzung nicht zulässt, zeigt Bostjan Vuga zum Ende seines Vortrags mit der Gestaltung und dem Umbau einer Wohnung, sowie dem Gebäude der slowenischen Flugsicherung in Ljubljana. Die übrigen, vorgestellten Bauwerke zeigten allesamt Arbeiten, die auf unterschiedliche Weise ihren Beitrag zur Integration der Öffentlichkeit im Gebauten leisten und durch die Struktur der Stadt Einfluss auf das öffentliche Leben nimmt. Architektur kann eben auch sozial Wirkung erzeugen.

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Am nächsten Dienstag, den 02. Dezember geht es weiter in unserer Vortragsreihe. Dann wird Vasa J. Perović von bevkperovic zu Gast bei uns sein.

Text: Anna-Laura Oldenburg

Bild: Yvonne Klaßen