architectural tuesday | Sébastien Marot | Nachbericht

Ein Nachbericht von Theresa Lefken

An dem zweiten Dienstagabend des architectural tuesdays dieses Semesters hatten wir Sébastien Marot in der Vortragsreihe „Neue Werkzeuge im Anthropozän“ zu Gast. Ein renommierter Sprecher auf diesem Themengebiet, der uns einen ganz neuen Blickwinkel auf die Architektur der heutigen Zeit aufzeigte. Den Weg des studierten Philosophen und promovierten Historikers kreuzte kontinuierlich das Themenfeld der gebauten Umwelt und so setze er sich früh mit Fragen auseinander, die die Entstehung und Fortführung von dem menschlichen Leben gebündelt im Städtischen Raum kritisch hinterfragten. So zeigte er in seinem Vortrag nicht nur mögliche Theorien auf, die die Menschen in die Städte zogen, er hinterfragte auch das Miteinander Leben und Arbeiten, das daraus resultiert.

Sébastien Marot im Karl-Schüssler-Saal. Foto: Felix Beuter

In seinem Vortrag hangelte sich der ehemalige Chefredakteur der Zeitschrift ‚Le Visiteur‘ und Gründer der Zeitschrift ‚Marnes‘ an der Ausstellung „Taking the country’s side“ entlang, die er für die Lissabonner Architekturtriennale 2019 kuratierte. In ihr dokumentierte er den Bruch zwischen Landwirtschaft und Urbanismus und schlug eine nuancierte Perspektive auf das Leben im Anthropozän vor. Er plädierte dafür, dass die Landwirtschaft und die Architektur sich wieder miteinander verbinden und grundlegend neu überdacht werden.

Ausstellung „Taking the country’s side“, kuratiert für die Lissabonner Architekturtriennale 2019
Darstellung Biologischer Reaktoren und schnellen Brütern in Agri-Buildings von Agri-Cities

Der Vortrag zeigte auf, wie entscheidend es ist, interdisziplinär zu arbeiten und das Gespräch zwischen Personen verschiedenster Expertisen zu verfolgen. So kooperierte Sébastien Marot mit Rem Koolhaas für die Ausstellung „Elements of Architecture“ für die Biennale von Venedig 2014. Sébastien Marot leitete uns an, zu hinterfragen und das offensichtlich scheinende nicht zweifellos hinzunehmen.

Überrascht, in dem Vertrag keine Antworten, sondern Fragen präsentiert zu bekommen, hallen doch gerade diese Fragen bis heute nach. Das Bild, das sich in meinen Kopf einbrennen wird, malte Marot jedoch erst nach seinen verabschiedenden Worten seines Vortrags:

Illustrierte Zeitleiste der Umweltgeschichte, Bestandteil der Ausstellung „Taking the country’s side“

Mit Fragen gelöchert, trafen wir uns mit einigen Studierenden nach dem Vortrag auf eine Zigarette unter dem Vordach des Eingangs des Gebäudes. Der Regen prasselte nur wenige Zentimeter neben uns herunter und die Diskussion entfachte. „Ich bin mir sicher, Marot war völlig klar und bei sich, wir hingegen sind auf einmal verloren und nachdenklich…“ ließen wir den Vortrag Revue passieren. Auf dem Weg zum Taxi sah uns Sébastien Marot in der Runde stehen, stellte sich noch schnell neben uns und bat um Drehzeug, um sich noch eine schnelle Zigarette mit uns zu gönnen. „Filter?“ fragte jemand. „Die sind für Anfänger!“ erwiderte Marot entschlossen. Um keine Anekdote verlegen, legte er los: „Ich glaube der Mensch hat zu Rauchen angefangen, nachdem die Feuerstellen verschwanden, um immer eine kleine Feuerstelle, ein Zuhause, bei sich zu haben. Rauch ist wohlmöglich der erste umbaute Raum des Menschen – die erste Architektur.“

Mit diesem Satz ließ er uns nachdenklich im Regen stehen, an der Zigarette ziehend – mit Filter. Anfänger.

Sébastien Marot im Gespräch mit Adria Daraban und Frédéric Schnee. Foto: Felix Beuter

Text: Theresa Lefken
Fotos: Agriculture and Architecture: Taking the Country’s Side | Felix Beuter