architectural tuesday | Raoul Bunschoten | Nachbericht

Raoul Bunschoten beschäftigte sich im vierten Vortrag der Reihe „Perspektiven des Digitalen“ mit der Komplexität der beiden großen Themen Klimawandel und Digitalisierung der Gesellschaft. Unter dem Titel „Conscious City“ referierte er über zukunftsorientierte Konzeptstrategien, die die Gesellschaft und damit auch die Arbeit von Architekten verstärkt beeinflussen und verändern werden. 

Bunschoten ist Professor für Stadtplanung und Urban Design an der TU Berlin. Als Gründer und Direktor des Architektur- und Stadtplanungsbüros CHORA in London beschäftigt er sich seit längerem hauptsächlich mit den Auswirkung der Klimakrise und möglichen Auswegen durch Urban Intelligence. Die Komplexität der Zusammenhänge von Klimawandel, Ressourceneinsparung und –erhalt und die fortschreitende Digitalisierung bedürfen der Entwicklung neuer begreifbarer Systematiken. Dabei stehen für ihn die  Entwicklung und Anwendung neuer Methoden in den Bereichen Stadtplanung und architektonischer Gestaltung. 

Vortrag ‚Conscious City‘
Raoul Bunschoten, TU Berlin
16. Juni 2020 im Rahmen des architectural tuesday

nochmal anschauen: www.youtube.com

Raoul Bunschoten hat in seinem Vortrag zwei neue Methoden der Planung vorgestellt: Das „Conscious City Lab“ und die „Scenario Games“ sind zwei Arten, Planungsprozesse weniger komplex und dafür transparenter für alle Beteiligten zu machen. Bunschoten zeigte unter anderem das „Conscious City“-Projekt, das er gemeinsam mit Studierenden auf der Art & Architecture Biennale im südkoreanischen Gwangju initiierte.

Mit Hilfe einer interaktiven Multimedia-Installation als Lernumgebung und Planungshilfe brachte die Gruppe um Bunschoten  den Besuchern auf spielerische Weise Probleme der Stadtgestaltung der eineienhalb-Millionen-Einwohner-Stadt Gwangju näher. 35.000 Teilnehmer*innen verschiedener Altersgruppen entwarfen mit Hilfe dieses tools ihre eigene Version eines Smart-City-Konzepts,das Gwangju effizienter, technologisch fortschrittlicher, grüner und sozial inklusiver machen soll. 

Auch an weiteren Beispielen wie einem interaktiven Workshop in Berlin-Schöneberg zeigte Bunschoten Möglichkeiten, wie auf spielerische Art Projektideen für innovative Energie- und Infrastrukturlösungen entwickelt werden können. 

Ein Bewusstsein, wie man sich Berlin als Smart City vorstellen können, wollte Raoul Bunschoten und sein Team beispielsweie mit einer sogenannten „BrainBox“ schaffen, einem multimedialen Labor, in dem Stadtplanung neu gedacht wird. Den Raum dieser „Denkschachtel“ bildete eine knapp zehn Meter hohe kubische Struktur aus Stahlrohren, deren Innenwände als Projektionsflächen für Videos, Präsentationen und ein 3D-Stadtmodell Berlins dienten. 

Ein interaktiver Tisch war mit Spielkarten bestückt, auf denen verschiedene Aspekte einer Smart City abgebildet waren. Der spielerische Ansatz förderte das allgemeine Verständnis und die interdisziplinäre Kommunikation. Experten aus Politik, Industrie und Wirtschaft konnten mit „normalen“ Bürgern urbane Themen wie Mobilität und Energieversorgung gemeinsam neu denken, planen und simulieren. Erstmalig wurde die „BrainBox“ 2014 bei der „Langen Nacht der Wissenschaften“ erfolgreich realisiert.

Bunschoten wies anschließend ausdrücklich darauf hin, welche Bedeutung die Arbeit von Architekten, Stadtplanern und Designern hat, um neue Methoden und Techniken zu entwickeln, die die wachsende CO2-Emmission vermindern können.  Als eine der größten Herausforderungen unserer Zeit erscheint dem Niederländer die „Belt and Road Initiative“ von Chinas Staatschef Xi Jinping vor. Mit dem überaus problematischen Megaprojekt will dieser das „Reich der Mitte“ bis 2049 zur bedeutendsten  Weltmacht machen. Dazu soll die alte Seidenstraße zu neuem Leben erweckt werden – was wiederum die Weltwirtschaft in den nächsten Jahren massiv verändern würde.  Gemeinsam mit seinen Studierenden hat Bunschoten in einer umfangreiche Arbeit die Auswirkungen des megalomanen Projektes untersucht.

Bunschotens Arbeiten mit Studierenden

Raoul Bunschoten sammelt seit vielen Jahren analytisches Wissen über die Energieflüsse der Erde. Durch zahlreiche Arbeiten seiner Studierenden setzt er diese Sammlung fort. Inzwischen sind hochkomplexe Grafiken und Modelle entstanden, die das Verständnis der globalen Abläufe und Zusammenhänge und zugleich die strategische Planung von Städten erleichtern soll. 

Hinter Bunschotens engagierter arbeit steht grundsätzlich die Frage, wie man als Architekt die Kette von Energieverbrauch, Ressourcenabbau und die Erzeugung von Billigwaren durchbrechen kann. Schaut man auf Statistiken, ist beispielsweise die Herstellung von Beton nach den Verbrauchern in China und in den USA der drittgrößter Kohlenstoffverursacher der Welt. Es liegt also nahe, über die Materialverwendung in Stadt und Architektur nachzudenken: In Bunschotens Projekt „Urban Ecomatrix“ in Indonesien wurden Konzeptstrategien entwickelt, um dem Klimawandel mit Hilfe von Bambus als Rohstoff entgegenzuwirken. Die Idee besteht darin, Plantagen zu vergrößern und damit den Anbau von Bambus zu fördern, damit er als einer von vielen ökologischen Stoffen für das nachhaltigen Bauen genutzt werden kann.  

In diesem Zusammenhang hat Raoul Bunschoten mit Studierenden Konzepte für „Wald-Städte“ entwickelt. Bei diesem Programm soll eine Stadt aus 80 Prozent Wald bestehen, die Gebäude sollen aus Holz oder Bambus errichtet werden. Die Entstehung einer solchen Grünen Stadt wäre ein wegweisendes Beispiel nachhaltiger Architektur und Stadtplanung, da sie auf lange Sicht die enorme Kohlenstoffproduktion tradierter Stadtgefüge minmiert.

Für besondere Orten wie beispielsweise der Arktis, so Bunschoten abschließend, müssten ähnliche fortschrittliche Konzeptstrategien entworfen werden.  Mit seinem Projekt „Breathing of the Earth“ hat er – belegt mit einer ungeheuren Datenfülle – gezeigt, wie Städte in den nächsten Jahren im „Ewigen Eis“ wachsen könnten. 

Angesichts der Komplexität und Vielseitigkeit der Themen, die Raoul Bunschoten mit seinem Büro und seinen Studierenden anfasst,  stellt sich die Frage nach einer Vereinfachung. Es erscheint notwendig, die ungeheure Komplexität, die in Bunscghotens Vortrag sichtbar wurde, soweit zu reduzieren, dass einzelne, allgemein verständliche Schritte entwickeln lassen. „Als Architekten müssen wir dies verstehen und umsetzen lernen“, so Bunschoten am Ende seiner erhellenden Ausführungen.

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Bilder: aus dem Vortrag