architectural tuesday | Patrick Lüth | Nachbericht
Als dritten Gast der Vortragsreihe „architectural tuesday“ durften wir Patrick Lüth von Snøhetta begrüßen. Unter dem Titel „Baue lieber ungewöhnlich – Entwerfen trotz BIM“ widmete er sich in seinem Vortrag den digitalen Perspektiven der Architektur. Die wöchentliche Vortragsreihe „architectural tuesday“ der Fakultät für Architektur der TH Köln findet in diesem Semester angesichts der Corona-Krise im Internet statt. Vom 26. Mai bis 16. Juni 2020 sprechen die Referentinnen und Referenten aus Architektur, Ingenieurwesen und Wissenschaft über das Digitale in der Architektur.
Vortrag ‚Baue lieber ungewöhnlich – Entwerfen trotz BIM‘
Patrick Lüth, Snøhetta
09. Juni 2020 im Rahmen des architectural tuesday
Durch eine Einführung von Prof. Andreas Denk wurden wichtige Etappen des Architekten, 3D-Computerspezialisten und Tischlers Patrick Lüth hervorgehoben. Desweiteren erwähnt er die Schlüsselbauten, wodurch das weltweit an sieben Standorten vertretene Architekturbüro Snohetta Berühmtheit erlangte, wie etwa die Bibliotheck in Alexandria (1989) und die Oper Oslo (1999).
Schon auf der Hompage wird deutlich, „Snøhetta is a place that nobody is from, but anyone can go to.“ Zuhause ist, wo die Familie ist! Dies hat wohl auch die norwegische Zentralbank im Jahr 2014 so gesehen und beauftragte das Büro mit der Entwicklung des Designvorschlags für ihre neue Papierwährung. Mit dem Thema „Baue lieber ungewöhnlich“ übergibt Prof. Andreas Denk an den Sprecher des Vortrags.
Patrick Lüth ist sich durchaus über die Vorteile des Mediums in Zeiten von Corona bewusst. Ist er doch noch immer an seinem Arbeitsplatz in Innsbruck und konnte kurz vor dem Vortrag noch wichtige Fragen seiner Mitarbeiter klären. „Perspektiven des Digitalen“ scheint hier sehr passend. Dieses Thema und den Wechsel zwischen digitalen und analogen Möglichkeiten durch BIM wird er anhand von 6 Projekten genauer beleuchten.
Zu Anfang erläutert er den Entstehungsprozess des Büros, das den Namen eines mystischen Gebirgszugs trägt, der, so sagt man, Feen, Elfen und Moschusochsen beherrbergt. Den Gründern war es wichtig, einen Namen zu wählen, der nicht eine einzelne Person in den Vordergrund rückt, sondern Landschaft und Geschichten. „Places for People, not for Architecture itself.“ Er betont den starken Zusammenhalt der breit aufgestellten Mitarbeiter und den Fokus auf „Co-Creation“. Hierbei werden die verschiedenen Aspekte wie Ort, Kontext, Geschichte und Zweck des Gebäudes für einen kreativen Entwurf gemeinsam mit den Auftraggebern in Workshops erarbeitet. Dabei betont er den Vorteil eines physischen Modells. Im Gegensatz zum Rendering, das immer stark beeinflusst ist, stellt das physische Modell für den Betrachter einen direkten Bezug zu Atmosphäre und Räumlichkeit her.
Im Wettbewerbsgewinn der Bibliothek in Alexandria – das Erste von ihm vorgestellte Projekt – dienten noch ausschließlich Handzeichnungen als Grundlage für den Wettbewerb. Es handelte sich um analoge Detailzeichnungen mit Einarbeitungen von über 100 verschiedenen Schriften in der Fassade.
Das zweite vorgestellte Projekt ist ein öffentlicher Wettbewerb mit 250 Teilnehmern: die Oper in Oslo. Schon am Tag der offenen Tür – das Gebäude war noch im Bauzustand – wurden ca. 10.000 Besucher gezählt; ein Hinweis auf die Popularität nach der Eröffnung. Es ist ein Ort mit Doppelbelegung: ein Operngebäude als Hochkultur und außerdem für die allgemeine Bevölkerung von Norwegen zugänglich. Places for people.
20.000 Steine aus Marmor wurden einzeln in AUTOCAD übersetzt, modelliert, durchnummeriert und in Zusammenarbeit mit Bildhauern händisch bearbeitet. Die Fertigung fand in einem italienischen Steinbruch statt. Um das Dach für bis zu 20.000 Konzertbesucher begehbar zu machen und Verformungen durch thermische Spannungen zu verhindern, wurde jeder Stein aus einem Stück ausgearbeitet. Das Dach sollte möglich massiv und aus einem Guss sein. Hier zeigte sich, dass die Arbeit am Computer und die Arbeit am physischen Objekt stark zusammenhängen.
Um das Wechselspiel zwischen digitalem und analogem Entwerfen zu verdeutlichen, wählt er das Projekt der Rentierhütte für die Nationalparkverwaltung des norwegischen Naturschutzgebietes. Bei der Modellierung geht es ihm darum, die Einflussparameter aus dem Kontext des Ortes neu zu denken und durch verschiedene Medien zu visualisieren. Darunter zählt auch das Experimentieren mit Programmen, die eigentlich nicht für die Architektur gedacht sind, wie beispielsweise Programme für Animationsfilme. Auch hier wurde ein Modell durch einen Fräsroboter zur Überprüfung von Stimmigkeit und Effekt der Gebäudegeometrie erarbeitet. Er stellt selbst die Frage, ob es denn zeitgemäß ist, wenn man alles digital plant, um wieder ins Analoge zu wechseln. Demnach wird sich erst durch Erfahrungen beweisen, ob sich Digitale Bearbeitung in der Planung durchgängig durchsetzen wird. Eine weitere Fragestellung sieht er, in wie weit der Architekt in die Fertigung komplexer dreidimensionaler Geometrien eingreifen muss und wo es nicht mehr in seiner Verantwortung liegt.
Das Projekt der Swarovski Kristallwelten ist für ihn ein gutes Beispiel im Umgang mit analogen und digitalen Möglichkeiten. Ein Tunnel aus spiralförmig angelegten Lichtern dient als Zugang zum Museum. Anhand dreidimensionaler Skizzen und physischer 1:1 Modelle wird parallel in den Maßstäben gewechselt. Dabei wird klar, wo die Grenzen des Mediums liegen. Am Computer schnell zu realisieren; aber in der Umsetzung sieht es schwerer aus. Die komplexen Geometrien am Computer zu generieren und für die ausführenden Firmen zu transferieren, stellt vor Herausforderungen. Wenn man alle Schritte mitkoordiniert und -bedenkt, ist man auch haftbar zu machen.
Das Büro verwendet für Projekte, die über die Konzeptionsphase hinausgehen, ausschließlich AUTO DESK REVIT, um ein vollständiges BIM Modell zu erstellen. Hier sieht er Vor- und Nachteile. Um typische Situationen im Bauwesen darzustellen und zu konstruieren, ist die BIM Software gut geeignet. Bei Ungewöhnlichem wird es schwieriger. Trotzdem sieht er die Notwendigkeit in der Koordination der Fachplaner, Tragwerksplaner, Haustechniker und Bauherren. Es soll ein vollständiges Bild der Bauaufgabe sowie Kontrolle aller Gewerke gezeichnet werden – notwendiges Übel und Möglichkeitsraum gleichzeitig. Denn die Architekten sind in der Situation, alle Gewerke abstimmen zu müssen. Die Komplexität der Aufgabenfelder und der hochinstallierten Gebäude hat sich erweitert. Somit wird durchgängig – nicht nur teilweise – in 3D gearbeitet. Für ihn ist das BIM Modell unerlässlich, um das umfassende Ziel der Planung zu erreichen.
Im letzten Projekt wird durch die Möglichkeit der Virtual Reality ein weiterer Aspekt anhand der Alpinschule in Innsbruck aufgezeigt. Er beschreibt hier das Betreten des Raumes durch die Brille als eine tolle Erfahrung, um schnell Räume zu generieren und nicht alles sofort zu definieren.
Abschließend wird in der Fragerunde nach dem Einfluss von Snohetta auf die Öffentlichkeit gefragt. Will das Büro maßgeblich am öffentlichen Bild beteiligt sein? Eine weitere Frage zielte auf den Einfluss und die Verfremdung von BIM auf den Stadtraum ab.
Patrick Lüth sagt daraufhin, gerade das Nichtsprechen über das Bild, sondern das Sprechen über die Funktion und den Mehrwert stehe im Vordergrund. Die Konzentration liegt auf dem Konzept und der weiteren Übertragung auf Architektur und Landschaft. Die Frage stellt sich eher nach der öffentlichen Nutzung – und was am Ort selbst möglich ist.
Die BIM-Tools, die von großen Softwarefirmen zur Verfügung gestellt werden, sollten hinterfragt werden. „Wir müssen soweit kommen, dass wir diese Werkzeuge zu unseren Gunsten nutzen.“
Beim nächsten „architectural tuesday“ am 16. Juni 2020 um 19 Uhr ist Prof. Raoul Bunschoten von TU Berlin zu Gast.
Text: Toni Heinz Kunze
Bilder: vom Vortrag
Beitragsbild: Lars Rogstad