architectural tuesday: Hubertus Adam | Nachbericht
Am Dienstag, den 20. Oktober begrüßten wir den derzeitigen Direktor des Schweizer Architekturmuseums Hubertus Adam bei uns an der Architekturfakultät.
Hubertus Adams Vortrag mit dem Titel „Achtung: die Schweiz. Architektur zwischen Kontextsuche und Globalisierung“, nach dem gleichnamigen Manifest der schweizer Nachkriegszeit von Frisch, Burckhardt und Kutter, behandelte die Schweizer Architektur der letzten fünfzig Jahre.
Die Krise der Moderne nahm Adam als Ausgangspunkt des Vortrags. In den 50er Jahren, in der die damalige Architektur harsch kritisiert und Gebäude austauschbar wurden, endete schließlich die Moderne symbolisch in der Sprengung der Siedlung Pruitt Igoe in den USA.
Adam unterteilt die Entwicklung der Schweizer Architektur in verschiedene Phasen:
Aufbruch im Tessin
In den 60er Jahren rückte der italienischsprachige Teil der Schweiz in den Fokus der Architekturdiskussion. Aldo Rossi beeinflusste an der ETH Zürich viele spätere Architekten und brachte die Frage der Form ins Spiel.
Aurelio Galfetti versuchte die typische schweizer Landschaft und den konkreten Ort in seine Architektur mit einzubeziehen, während Botta und Snozzi ganze Dörfer neu strukturierten.
Das Problem der Tessiner Architektur sei, laut Adam, die weitestgehende Beschränkung auf Einfamilienhäuser gewesen, sowie die linksorientierte Gesinnung der Architekten, die ein Zusammenarbeiten von Architekten und Investoren aus der Wirtschaft verhinderte.
Basels Stunde
Die Stadt verwandelte sich zum Experimentierfeld. Rossi initiierte eine soziologische Ausrichtung der Architektur. Herzog de Meuron betraten zu dieser Zeit die Architekturbühne und prägten mit dem Büro Diener und Diener die über die Grenzen hinweg bekannte typische „Swiss Box“, eine dem Minimalismus unterliegende Architektur. Miroslav Šik prägte unterdessen den Begriff der analogen Architektur.
Die Zeit der Museen
Im Jahr 1992 wurden gleich drei große Museen in der Schweiz eröffnet, die prägend für die Zeit waren. Das Kirchner-Museum in Davos von Annette Gigon und Mike Guyer, das Museum La Congiuntafür die Werke des Bildhauers Hans Josephsohn von Peter Märkli im Tesssin und das Museum für die Sammlung Götz von Herzog de Meuron, dessen Bau sich in München befindet.
Graubünden
Dieser rural geprägte Teil der Schweiz ist die Heimat von Gion Caminada, der den Umgang mit lokalen Bautraditionen pflegt. Ziel war es, die „alpine Brache“ wieder lebensfähig zu machen. Hier befindet sich auch ein erstes Werk von Peter Zumthor: Ein Showcase und Schutzbau für Römerausgrabungen. Mit seiner Therme in Vals erlangte der Architekt internationale Aufmerksamkeit und steht seitdem für viele stellvertretend für die Schweizer Architektur.
Die globale Schweiz
Um die Jahrtausendwende herum, gelang der Durchbruch einiger großer Büros auf dem internationalem Spielfeld. Zumthor, Herzog de Meuron, Christ und Gantenbein realisierten große und kleine Projekte. Gleichzeitig rückte der Fokus auf die Hauptstadt der Schweiz. In Zürich werden seitdem mutige, alternative Wohnprojekte gebaut, wie z.B. die Kalkbreite von Müller Sigrist Architekten. Neuartig ist auch, dass sich zu diesen Projekten eine Mischform aus privaten, öffentlichen und wirtschaftlichen Bauträgern zusammenfanden.
Neue Handwerklichkeit?
Gion Caminadas Bauten vereinen Moderne und Tradition in einem. Sein Augenmerk liegt dabei auf regionale Qualitäten und Bauweisen. Mit seiner Lehrtätigkeit an der ETH beeinflusse er sicherlich die Architekten von morgen, doch auch eine andere Strömung durchzöge die Schweiz momentan, so Adam.
Seit 2015 sei ein Umbruch zu bemerken. Zu einem eine neotraditionalistische Strömung, beeinflusst von Hans Kollhoff, aber auch Prunkbauten wie die von Herzog de Meuron prägen das Stadtbild. Hubertus Adam sieht dies durchaus kritisch.
Nächste Woche Dienstag zeigen wir den Film „Wem gehört die Stadt? – Bürger in Bewegung“ von Anna Ditges und am 17. November ist der Schweizer Brückenbauer Jürg Conzett zu Gast beim architectural tuesday. Mehr dazu auf atuesday.akoeln.de
Fotos: Heike Fischer
Text: Lynn Kunze