architectural tuesday | Dr. Jan Knippers | Nachbericht
Als ersten Vortragenden im Rahmen der Reihe „Perspektiven des Digitalen“ durften wir Dr. Jan Knippers von der Universität Stuttgart (zumindest online) begrüßen. In seinem Vortrag widmete er sich den Möglichkeiten des integrierten Entwerfens und des robotischen Bauens. Die wöchentliche Vortragsreihe architectural tuesday der Fakultät für Architektur der TH Köln findet in diesem Semester angesichts der Corona-Krise im Internet statt. Vom 26. Mai bis 16. Juni 2020 sprechen die Referentinnen und Referenten aus Architektur, Ingenieurwesen und Wissenschaft jeden Dienstag um 19 Uhr über das Digitale in der Architektur.
Vortrag ‚Integriertes Entwerfen und robotisches Bauen‘
Prof. Dr. Jan Knippers, Uni Stuttgart
26. Mai 2020 im Rahmen des architectural tuesday
Nach einer kurzen Einführung durch Prof. Andreas Denk, der dem Publikum die Thematik der Vortragsreihe zu „Perspektiven des Digitalen in der Architektur“ als indirekte Übersetzung des Titels der legendären, innovativen Ausstellung „Live in Your Head: When Attitudes become Form“ von 1969 nahelegte,, übernahm Jan Knippers.
Zu Beginn seines Vortrages stellte Knippers kurz seine Ziele und Motivationen dar: Klimawandel und starkes Bevölkerungswachstum stellen die Architektur vor die Herausforderung, mehr zu bauen und dabei weniger Ressourcen als bisher zu verbrauchen. Seit Jahrzehnten hat es jedoch keinen wirklichen technischen Fortschritt und keine echte Innovation im Bausektor gegeben. Alle Neuerungen haben nur zur Verbesserung und Steigerung der Effizienz bestehender Prozesse beigetragen. Die Antwort und das Ziel können somit nur das Aufbrechen der linearen Prozesskette und die Auflösung der Trennung von Planung und Fertigung sein.
Im Hauptteil seines Vortrages zeigte Jan Knippers anhand dreier seiner Projekte, was physikalisch und technisch mit integrierter Planung und robotischer Fertigung möglich ist.
Knippers‘ erstes Beispiel war ein Faserpavillon, den Knippers mit einem studentischen Team für die Bundesgartenschau in Heilbronn entwickelte. Die Anfänge der Verwendung von Faserverbundstoffen in der Architektur liegen bereits in den 50er Jahren. Die Technik wurde aber nicht weitergeführt. Die Herstellung der Negativformen für die Vorfertigung der einzelnen Module war zu aufwendig und zu wenig flexibel.
Das Ziel der Arbeit von Knippers und seinem Team war nicht die bloße Übernahme von Prozessen aus anderen Branchen wie dem Flugzeugbau, sondern die Entwicklung eines einfachen Verfahrens zur Herstellung von Unikaten. Für die Fertigung der Komponenten kamen Roboter zum Einsatz, die harzgetränkte Glas- und Kohlestofffasern um ein nasses rotierendes Stahlgerüst wickelten. Anschließend wurde das Element durch Hitze ausgehärtet.
Die insgesamt 60 einzelnen Faserverbundbauteile wurden dann auf der Baustelle zusammengesetzt. Der fertige Pavillon erreicht eine Spannweite von fast 24 Metern. Die gesamte Konstruktion ist fast fünf Mal leichter als eine vergleichbare Stahlkonstruktion. Durch das additive Fertigungsverfahren entsteht keinerlei Verschnitt.
Im Anschluss erläuterte Knippers eine mögliche Weiterentwicklung des Verfahrens. Bei einer Automatisierung des Prozesses trifft die Maschine selbstständig Entscheidungen, und die Fertigung kann auf die Baustelle verlegt werden. So entstand bereits ein kleiner Forschungspavillon auf dem Universitätsgelände in Stuttgart, bei dem ein Roboter die Fasern von innen gegen eine aufgeblasene Kunststoffhülle setzt und selbstständig den Anpressdruck regulieren kann.
Das zweite Beispiel, ein Holzpavillon, der 2019 ebenfalls für die Heilbronner Bundesgartenschau entwickelt wurde, orientiert sich an den großen Betonschalenbauten in Südamerika aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts. Aufgrund der hohen Arbeitsintensivität wurden solche Bauten später mehr realisiert. Durch die Entwicklung eines robotischen Fertigungsverfahrens konnte der stark gestiegene Preis für Arbeitskraft kompensiert werden. Der Pavillon entstand in Zusammenarbeit mit einem lokalen mittelständischen Holzbaubetrieb.
Die Holzkassetten wurden durch zwei Roboter vorproduziert und auf die Baustelle gebracht, wo die 376 einzelnen Elemente zum Pavillon zusammengesetzt wurden.
Die sich aus der Addition der einzelnen ebenen Elemente ergebende doppelt gekrümmte Geometrie überspannt fast 30 Meter. Aufgrund einer äußerst geringen Fertigungstoleranz von nur 0,3 Millimeter und einer Fertigungszeit von nur 45 Minuten je Werkstück ist das Verfahren wirtschaftlich konkurrenzfähig. Einen Ausblick in die Zukunft könne laut Knippers eine robotische Unterstützung auf der Baustelle darstellen, da sich das händische Setzen der Verbindungen zwischen den Elementen als der aufwendigste Teil der Konstruktionsarbeiten herausgestellt hat.
Der „Turm an der Birke“ in Urbach entstand im Rahmen der Reihe „16 Stationen“ anläßlich der Landesgartenschau 2019 in Remstal östlich von Stuttgart. Das Innovative des 14 Meter hohen Turms besteht in der Anwendung eines neuartigen, an der ETH Zürich entwickelten Selbstverformungsprozesses für gebogene Holzkomponenten. Im Gegensatz zum herkömmlichen aufwendigen und energieintensiven Verfahren zur Herstellung von gekrümmtem Holz bildet das Holz die Verformung selbständig und ohne zusätzlichen Energieeinsatz aus. Durch die Verwendung zweier verleimter Holzplatten mit unterschiedlichem Feuchtegehalt kann die Verformung, die sich beim üblichen industriellen Trocknungsprozess einstellt, genau vorausberechnet werden.
Dieses Verfahren hat sich sogar als genauer als das Ergebnis eines mechanischen Verformungsprozesses herausgestellt. Die einzelnen Bauteile des fertigen Turmes haben eine Länge von bis zu 15 Meter und eine Bauteildicke der tragenden Schicht von nur 90 Millimetern. Bis auf die Stahlschrauben wurde nur Holz als Werkstoff verwendet.
Im Anschluss des Vortrages moderierte Andreas Denk eine kurze Fragerunde. Ein Thema, das die Zuhörer besonders interessierte, war die Möglichkeit der Übertragung in die Praxis. Jan Knippers sieht dabei das Potential vor allem beim Einsatz in schwerzugänglicher und engbebauter Umgebung und als Hybridtechnik im Zusammenspiel mit traditionellen Bauformen. Auch wurde die Frage nach der Autorenschaft und der Rolle der Architekten bei autonomen Fertigungsprozessen gestellt, Knippers sieht die Urheberschaft bei Bauwerken in Zukunft bei den Entwicklern der Prozesse.
Beim nächsten Digital Architectural Tuesday, am 09. Juni 2020 um 19 Uhr, ist Patrick Lüth ist Leiter des Innsbrucker Büros des interdisziplinären norwegischen Büros Snøhetta zu Gast.
Text: Georg Brummer
Bilder: https://www.janknippers.com/de/