architectural tuesday | Dennis Müller | Nachbericht
Am 18. Juni begrüßten wir den BDA Architekten und Professor Dennis Müller. Geboren 1976, studierte Dennis Müller von 1997 bis 2003 an der HfT Stuttgart und der ETH Zürich. Heute ist er lehrender Professor für Baukonstruktion und Entwerfen an der PBSA in Düsseldorf, wozu er 2016 berufen wurde.
„Aus einer Kette von logisch aufeinander aufbauenden Schritten und den daraus resultierenden Entscheidungen entstehen in der Regel in sich schlüssige, in Funktion und Konstruktion einfache, unter ästhetischen Aspekten klare und schnörkellose Bauwerke. Ihre materielle Präsenz, das Wechselspiel zwischen Ort, Funktion, Konstruktion und damit auch von atmosphärisch architektonischen Aspekten ist im besten Fall klar aufeinander abgestimmt.“ (Dennis Müller)
Zu Beginn seines Vortrags betonte Dennis Müller die Bedeutsamkeit der Thematik des Umbaus. Seiner Meinung nach ist der Umbau eines Gebäudes gleichzustellen mit der Realisierung eines Neubaus. Es gelten die gleichen Anforderungen im Entwurfsprozess. Konstruktion, Ort und Funktion gilt es auch beim Umbau in Einklang zu bringen. Bei einem Umbau, so Müller, müssen sich die Architekten sogar noch intensiver mit dem Ort und der Funktion des Bestandobjekts auseinandersetzen. Ein Umbau ist seiner Meinung nach ein ständiges Weiterentwickeln der Architektur. Es gilt den Ort zu begreifen und ihm zu einer neuen Stärke zu verhelfen.
Er stellte drei Projekte vor, die sich auf unterschiedliche Art und Weise mit der Thematik „Umbau“ auseinandersetzen.
Museum Luthers Sterbehaus in Eisleben
Die Aufgabe lag darin, das „Sterbehaus“ des Martin Luthers in Eisleben zu sanieren und durch einen Anbau zu ergänzen. Lange Zeit wurde angenommen, dass es sich bei dem Bau am Andreaskirchplatz um Martin Luthers Sterbehaus handelt, doch dies wurde nach neusten wissenschaftlichen Kenntnissen widerlegt. Dennoch gehört der Bau zum UNESCO Weltkulturerbe und stellte die Architekten vor große Herausforderungen. Zur Straßenseite hin fügt sich das Gebäude in die Blockrandbebauung ein, hinten löst sich das Gebäude auf. Die Architekten VON M fanden einen Hinterhof vor, der durch zahlreiche Oberflächenstrukturen stark texturiert wirkt. Mittelpunkt des Hofes bildet eine Eiche.
Das Team um Dennis Müller realisierte einen zweigeschossigen Neubau, der zusammen mit dem Bestand den Innenhof räumlich neu fasst und definiert. Der Neubau passt sich an die Formensprache und Materialität des Bestands an.
Das Bestandsgebäude selbst wurde durch die bauliche Ergänzung zum Ausstellungsstück. Es wurden lediglich vereinzelt kleine Eingriffe vorgenommen, es kam beispielsweise eine weitere Türöffnung zur Straßenseite hinzu, um den Eingang von dieser Seite zu betonen. Es wurde zudem eine Durchwegung des Altbaus ermöglicht. Dieser Bereich wurde zu einem halböffentlichen Raum, der zum Hof und Neubau führt.
Der Neubau wirkt von außen verschlossen und öffnet sich zum Hof hin. Große Fensterflächen geben den Blick auf Hof und Bestandsgebäude frei. Im Erdgeschoss befindet sich das Foyer. Die Wände wurden in hellem Sichtbeton ausgeführt, bei dem Boden handelt es sich um geschliffenen Estrich.
Zu Beginn des Projektes stand für das Planungsteam fest, dass eine Klinkerfassade für den Neubau nicht in Frage kommt, verriet Dennis Müller. Die Architekten änderten aber im Planungsprozess ihre Meinung und entschieden sich letztenendes für eine Klinkerfassade im wilden Verband. Die Klinker weisen unterschiedliche Farbnuancen vor. Dadurch entstand eine lebendige Fassade, die sich an die verschiedenen Bestandsmaterialien anpasst.
Kinder- und Familienzentrum Poppenweiler
Bei der Planung eines Kinder- und Familienzentrum in Poppenweiler standen Dennis Müller und sein Team vor der Herausforderung ein bestehendes Wohnhaus, welches sie vor Planungsbeginn nicht gesehen hatten, in das Gesamtkonzept zu integrieren.
Das Bestandsgebäude wurde bis auf die tragende Mauern rückgebaut, es wurde „einfach nur zurückgeschnitten was überflüssig war“, so Müller. Die ursprüngliche Gebäudeform des ehemaligen Wohnhauses tritt dadurch klar hervor, das „Haus wurde wieder zum Haus“.
Ergänzt wurde das Bestandsgebäude durch einen länglichen Neubau, der im Vergleich zum ehemaligen Wohnhaus sehr groß ist. Deshalb wurde der Abbau kleinteiliger gedacht und durch einzelne Raumabschnitte strukturiert. Bei dem Bau handelt es sich um einen Holzbau, die Fassade besteht aus einer vertikalen Holzverschalung. Hier wurde bewusst ein Kontrast zur Materialist des Umfelds geschaffen.
Das rhythmisch gefaltete Dach und die Proportionen der aneinander gefügten Abschnitte nehmen Bezug zu den umliegenden Gebäuden.
Im Altbau wurde das Familienzentrum und die Verwaltung untergebracht, der Neubau bietet Platz für Gruppenspielräume. Ein durchlaufender Gang verbindet sich einzelnen Raumabschnitte.
Die Innenraume wurden hell und freundlich gestaltet, alle Oberflächen bestehen aus hell lasierten Dreischichtplatten. Große Fensteröffungen im Norden rahmen den Blick zum Garten und bringen viel Tageslicht in die Spielräume. Die raumhohe Festverglasung ermöglicht einen fließenden Übergang von Innen und Außen.
Christusgemeinde Kehl
Bei dem dritten Projekt handelt es sich um einen Kirchenumbau, sowie eine bauliche Ergänzung für die Christusgemeinde in Kehl. Die historische Kirche war in den Hintergrund getreten und durch die umliegende Bebauung und auch die Bäume nicht gut sichtbar im Straßenraum.
Die Architekten legten bei der Sanierung großen Wert darauf die ursprüngliche Gestalt der Kirche zum Vorschein zu bringen. Hierfür wurden auch die Außenflächen neu gedacht. Die Bäume wurden zum größten Teil entfernt, um den Blick auf die Kirche wieder freizugeben. Ergänzt wurde die Kirche mit einem flachen, kubischen Neubau im hinteren Bereich, der das neue Gemeindezentrum beherbergt.
Der kompakte Neubau definiert die Grundstücksgrenzen und rahmt die Kirche. Die Eingänge von Kirche und Gemeindezentrum stehen im Dialog, beide sind über den neu entstandenen Kirchplatz erreichbar.
Der glatte, weiße Kalkputz des Neubaus geht eine Verbindung mit der Kirche ein, positioniert sich schlicht aber radikal im Straßenraum. Im Inneren entscheiden sich die Architekten dafür, die Porotonsteine lediglich mit einem Kalkanstrich zu versehen. So kann die Konstruktion des Gebäudes im Inneren nachvollzogen werden.
Im Hauptraum der Kirche wurden sämtliche Einbauten entfernt, die Wandoberflächen wurden hell gestaltet. Die Kirche wurde durch diese Eingriffe in einen Zentralbau verwandelt. Eine bewegliche und aufklappbare Wand ist das raumbildende Element des Kirchenraums. Sie ermöglicht unterschiedliche Raumzuschnitte und die Abtrennung kleinerer Rückzugsbereiche. Der Raum kann dadurch multifunktional genutzt werden.
Wir danken Dennis Müller für einen inspirierenden Vortrag im Rahmen des architectural tuesdays!
Text: Janina Hofius