architectural tuesday | Constantin Alexander | Nachbericht
Im Rahmen der architectural tuesday Reihe „Zerstöre mit Freude! – Über die (Un)Möglichkeit nachhaltigen Bauens“ begrüßten wir am 09. November 2021 als ersten Vortragenden den Politikwissenschaftler und Ökonom Constantin Alexander, welcher kreative und nachhaltige Stadtentwicklung an der Leuphana Universität lehrt und Gründungsmitglied im interdisziplinären Forschungsprojekt „Die Obsolete Stadt“ ist, das durch die Robert-Bosch-Stiftung gefördert wird.
Nochmal anschauen:
#urbanism2050 – Chancen und Herausforderungen der nachhaltigen Stadtentwicklung“
Vortrag vom 09. November 2021 im Rahmen des architectural tuesdays
Den Abend leitet Prof. Thorsten Burgmer mit einem kleinen Ausblick auf die gesamte, nun beginnende Vortragsreihe ein. Er weist auf die, von der Öffentlichkeit bisher kaum bedachten, ökonomischen Folgen hin, die der Klimawandel mit sich bringen wird und auf den gesellschaftlichen Wandel, beispielsweise die demographische Entwicklung in Deutschland, der bei Planungsprozessen unbedingt einbezogen werden muss. Die Möglichkeiten, Schwerpunkte und auch Probleme beim Ressoucenschonenden Bauen werden in den folgenden Vorträgen durch die Gastredner geschildert.
Constantin Alexander beginnt mit einer Online-Umfrage, die die Gemütslage und Ansichten des Publikums zu themenbezogenen Fragestellungen einfängt und sichtbar macht.
Der erste von drei Gliederungspunkten ist „Mensch im Mittelpunkt“. Bedarfe und Bedürfnisse der Menschen sind in Planungen einzubeziehen. Das unrealistische Leitbild vom homo oeconomicus soll sich zum homo futurus wandeln, der sich nicht mehr nur an wirtschaftlichen Interessenslagen orientiert, sondern darüberhinausgehend auch an allen weiteren Aspekten, die Mensch und Natur mit sich bringen. Der Mensch, damit schließt er diesen Gliederungspunkt, ist schließlich der größte Einflussfaktor auf unserem Planeten.
Einen zweiten Oberbegriff bildet „Boden im Fokus“. Interessanterweise besteht schon seit 1713 der Nachhaltigkeitsgedanke, als die Zukunftsfähigkeit des Abholzens der Sächsischen Schweiz infrage gestellt wurde. Das bisher geläufige Modell des Abwägens von Input in einen Boden und daraus resultierendem Output wird erweitert um den ganzheitlichen Gewinn oder Wirkung der Maßnahme, damit entspricht der Wert nicht nur mehr dem Preis. Mit dem ORI (Obsolenz-Risiko-Index) können soziale und ökologische Potentiale bestimmter Objekte eingeschätzt werden. Innerstädtische, CO2-bindende Grundstücke haben demnach eine deutliche Wertsteigerung zu verzeichnen, entgegen beispielsweise Park- oder Kaufhäusern.
Den dritten Punkt bilden „Umfeld und Prozesse“. Die Menschheit muss hierbei akzeptieren, dass Unerwartetes normal und die grundlegende Konstante der Menschheit eben der Wandel ist, im Zuge dessen muss man sich vielleicht auch mit dem kommenden Klimawandel in gewisser Weise abfinden und entsprechend damit umgehen. Constantin Alexander visualisiert darauffolgend die Folgen der Corona-Pandemie in deutschen Großstädten, das heißt Ladenschließungen vor allem in den Stadtkernen, die dadurch ungenutzt sind oder den Strukturwandel, der mit Stellenabbau in Wolfsburg einhergehen könnte.
Zukünftig werden bei der Reaktion auf Klimawandel und demographischen Wandel besonders die Begriffe Fragilität und Resilienz bestimmend sein. Das Ziel hierbei ist, antifragile Strukturen zu schaffen, in Deutschland beispielsweise durch eine Änderung der Landwirtschaft, Aufweichen der Pfadabhängigkeiten, flächendeckendes barrierefreies Planen oder Bauen auf vorhandenen Strukturen. Planung und Entwicklung sollten keine Gegensätze sein, sondern ineinandergreifen und Komplexität ist gemeinsam besser lösbar, im Rahmen einer langfristigen, strategischen Planung.
Im Anschluss an seinen Vortrag beantwortete Constantin Alexander noch Fragen aus dem und gab dabei unter anderem Beispiele für konkrete Handlungsansätze wie strategisches Flächenmanagement in Kommunen oder einer Einführung von Sonderzonen mit gelockerten Auflage, für einen kreativeren Umgang mit dem Boden.
Text: Lucia Beatrix Koletta Hornstein
Fotos: Antonia Fischer