architectural tuesday | Diskussionsrunde 2017 | Nachbericht
Der architectural tuesday befasst sich im Sommersemester 2017 mit dem Thema „Das neue Wohnen“. Die Diskussion- und Vortragsreihe stellt Beispiele des neuen Wohnungsbaus im internationalen Vergleich vor und diskutiert sie im Hinblick auf ihren innovativen Charakter in Bezug auf den Städtebau, die Gebäudekonzeption und die Grundrisstypologie.
(v.l.n.r. Thomas Luczak, Paul Bauwens-Adenauer, Prof. Andreas Denk und Prof. Thorsten Burgmer, Cornelia Zuschke, Jochen Ott)
Die Reihe startete am 23. Mai 2017 mit einer Diskussionsrunde, moderiert von den Kuratoren der Reihe Prof. Andreas Denk und Prof. Thorsten Burgmer.
Die Diskutanten, mit verschiedenen beruflichen Hintergründen, sprachen und diskutierten zum Thema „Neues Wohnen in Köln und Umgebung: Eine politische, wirtschaftliche, städtebauliche und architektonische Herausforderung“.
Es wurde deutlich, dass das Thema bezahlbarer und vor allem ausreichender Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten nicht nur ein relevantes Thema der Architektur, sondern auch der Politik, der Wirtschaft und der Verwaltung/Bürokratie ist. Bei der Frage zur Definition von „bezahlbar“ werden verschiedene Einflussfaktoren aufgeworfen, unter anderem der steigende Wohnungsbedarf pro Kopf, die wachsende Anzahl von Singlehaushalten in einer sich stets verändernden Gesellschaft sowie neue Gebäudetypologien und Wohnmodelle wie beispielsweise das Mehrgenerationenwohnen.
Jochen Ott, Landtagsabgeordneter NRW
Als Vorsitzender des Aufsichtsrats der GAG (ist er das?) berichtet Jochen Ott, dass in Köln ein so geringer Leerstand besteht, wie seit der Zeit nach dem 2.Weltkrieg nicht mehr. Die Wohnungsnot bestehe besonders im unteren Sektor; er fordert mehr Urbanität in Form gemischter Wohnverhältnisse (Stichwort „Dorf in der Vertikalen“) in der Innenstadt, auch in besonders guten Wohnlagen wie am Rhein, und weist auf die geplante Neugestaltung des Deutzer Hafens gegenüber der Kranhäuser hin. Ein Ausgleich in den Stadtteilen, als Kontrastbeispiel Lindenthal und Chorweiler, sei für die Entwicklung der Stadt unausweichlich. Architekten können laut Ott Einfluss nehmen, indem sie aktiv für gutes Wohnen werben, und in Bildersprache zeigen, wie es aussehen kann!
(v.l.n.r. Cornelia Zuschke, Jochen Ott)
Cornelia Zuschke, Planungsdezernentin Düsseldorf
Die seit einem Jahr in Düsseldorf lebende Architektin berichtet, dass dort jährlich an die 30 neue Bebauungspläne erstellt werden, während in Köln die Bebauungspläne rückgehend sind. Sie fordert die vermehrte Bereitstellung von Flächen für Wohnungsbau sowie die Konversion ungenutzter Flächen, also den Bestand als weiterentwickeltes Produkt, als Lösungsansatz des Überbedarfs. Dabei sollte durch verschiedene Qualitäten, Typologien und Wohnformen auf den spezifischen Ort eingegangen werden. Auch die Menschen sollen mitdenken und aktiv in Wettbewerbe mit einbezogen werden. Nicht nur die gebaute Qualität ist von Bedeutung, sondern auch die Qualität des Prozesses, und dort sieht Frau Zuschke Schwächen: Das System in Bezug auf Verwaltung und Regulierung sollen verbessert werden, Partnerschaften zwischen Architekten, Investoren und der Stadt müssen gestärkt werden.
(v.l.n.r. Cornelia Zuschke, Jochen Ott)
Paul Bauwens-Adenauer
Der Kölner Bauunternehmer spricht die Problematik der mangelnden Bauqualität an und fordert als Lösungsansatz eine „Subjektförderung anstatt Objektförderung“: „Gebt den Menschen das Geld in die Hand, anstatt es in Beton zu stecken!“ Laut Bauwens-Adenauer liegt das Problem weniger auf Investorenseite, sondern viel mehr in der Gesellschaft, welche bessere Produkte fordern und genau definieren sollte; der Markt würde diese dann liefern. Beispielsweise sei die Architektur in Berlin sehr viel werthaltiger, aus dem Grund, dass die Nachfrage dort höhere und langlebigere Qualität einfordere.
Paul Bauwens-Adenauer spricht seine Sorge über das „Masse schaffen auf Teufel komm raus“, die Nachverdichtung in der Innenstadt, aus; es werde zu eng gedacht, Gebiete im Kölner Umland mit sinkenden Mieten sollten attraktiv gestaltet werden. Auch sei es wichtig, die Menschen wieder vermehrt zu Eigentümern zu machen.
(v.l.n.r. Thomas Luczak, Paul Bauwens-Adenauer)
Thomas Luczak
Der Geschäftsführer des Ehrenfelder Büros Luczak Architekten erzählt, dass das Bauen heute viel schwieriger ist als früher, sowohl was den Innenbereich, also die Grundrisse, als auch den Außenbereich, also die Einbindung in die städtebauliche und soziale Umgebung angeht.
Eine Reformierung der klassischen Architekturwettbewerbe sei notwendig, es müsse viel mehr um Konzepte gehen. Diese Mehrdimensionalität im Wettbewerb solle auch Bürgerinitiativen und Gespräche mit den Nachbarn miteinbeziehen.
Eine Gefahr sieht Thomas Luczak in den banalisierten, immer gleich bleibenden Siedlungsformen, sowie in der häufigen Verwendung von WDVS, welche daraus resultiere, dass Gebautes sofort verkauft wird; eine längere Bestandshaltung würde zu besserer Bauqualität führen.
Bezüglich der Wohnungsnot schlägt der Architekt vor, Restflächen der Stadt zu erschließen, Gewerbe vermehrt auszulagern und gegebenenfalls auch Grünflächen wegzunehmen.
(v.l.n.r. Thomas Luczak, Paul Bauwens-Adenauer)
Text: Birte-Sophie Bülzebruck
Fotos: Heike Fischer Fotografie / TH Köln