Seestadt Hambach
17 Master-Studierende der TH Köln haben sich im Wintersemester 2020/21 mit den Dörfern, um den Hambacher Tagebau beschäftigt. Anlass der städtebaulichen Neuordnungen der Dörfer Hambach, Morschenich, Manheim, Tollhausen, Giesendorf+Berrendorf-Wüllenrath und Ellen ist die geplante Flutung des Tagebaus innerhalb der nächsten Jahrzehnte.
Zur Entwicklung der städtebaulichen Entwürfe bildeten die Studierenden sechs Gruppen, die sich neben einem übergeordneten Konzept mit je einem Dorf befassten und Planungsvorschläge erarbeiteten.
Hierzu wurden sechs Gruppen geformt und je Dorf ein städtebaulicher Entwurf verfasst.
Am 10.06. wurden die Entwürfe dann in der ehemaligen Kindertagesstätte Bürgewald in Merzenich-Morschenich präsentiert. Mit einigen Anwohnern des teils verlassenen Dorfes und unter anderem dem Bürgermeister von Merzenich entstand eine angeregte Diskussionsrunde. Unter anderem wurde über die geplante Seekante und die damit verbundene Anbindung der umliegenden Dörfer an den zukünftig zweitgrößten See Deutschlands gesprochen.
Bewegt man sich entlang des Hambacher Tagebaus, findet man eine unwirkliche Landschaft vor.
Der Eingriff des Menschen in diesen Ort ist unübersehbar, radikal und dennoch nicht in seinem
Ausmaß zu erfassen. Die Ortschaften, die ihn umranden, zeichnen ein vielgestaltiges Bild. Stellenweise wirkt die Zeit wie stehen geblieben, andere Orte befinden sich im Umbruch und vereinzelt gibt es jene, von deren Existenz nur noch ein zurückgelassenes Straßennetz zeugt. Es wird deutlich, dass eine städtebauliche Umorientierung der Grundstrukturen gleichermaßen einen sensiblen Umgang mit der weit zurückreichenden Geschichte des Gebiets, wie auch eine zukunftsweisende Perspektive erfordert.
Die Dörfer, die einst radial um den Bürgewald entstanden, werden an seiner Stelle den
zweitgrößten See Deutschlands in ihre Mitte nehmen. Wenn der Hambacher Tagebau in fünfzig bis hundert Jahren geflutet wird, wird er damit einen Teil der Geschichte unter sich begraben.
Dennoch ist der See von zentraler Bedeutung für die Zukunft der Gemeinden, da er sowohl für Anwohner als auch für Touristen Möglichkeiten der Naherholung und des Wasserverkehrs eröffnet und das Potential eines Fremdenverkehrsanziehungspunktes mit überregionaler Strahlkraft besitzt. Es darf jedoch nicht aus dem Blick geraten, dass die zu schaffende Perspektive bereits vor der Entstehung des Sees ansetzen muss. Dauerhaft können die Dörfer nur dann bestehen, wenn sie auch abseits des Tourismus Qualitäten ausbilden, die dazu beitragen, dass die Gemeinden sowohl für Ortsansässige als auch Ortsfremde als Wohnort attraktiv sind. Um den Abwanderungszyklus zu durchbrechen und neue Anwohner anzusiedeln, müssen die Dörfer aus ihrer starken Abhängigkeit zu den angrenzenden Städten Elsdorf, Jülich und Düren gelöst werden, die sowohl die Nahversorgung als auch Bildung und Arbeitsplätze sichern. Hierzu war eine umfassende Analyse der Strukturen wie auch der spezifischen Eigenschaften der Ortschaften erforderlich. Die hierdurch gewonnenen Erkenntnisse dienten als Grundlage zur Herausarbeitung der lokalen Defizite sowie Entwicklungsmöglichkeiten. Im Gesamtkontext ergaben sich so für jedes einzelne Dorf Themenschwerpunkte, die ein finanzielles Standbein ermöglichen, ohne zu einer Monopolstellung zu führen.
Auf diese Weise kann sich die anzunehmende wachsende Population gleichmäßig um den zukünftigen See herum ansiedeln. Die entstandenen Konzepte sind entsprechend Bestandteil eines überregionalen Entwurfs, der alle Dörfer an der zukünftigen Seekante umfasst, stellen aber für sich betrachtet unabhängige Lösungsmöglichkeiten dar. Den inhaltlichen Konzepten versuchten wir nachfolgend durch gezielte Eingriffe eine
architektonische Gestalt zu verleihen. Dies ist keineswegs als eine wirtschaftliche Planung zu verstehen, sondern als eine städtebauliche, die notwendige Fläche für Wohnen, Arbeiten, Bildung so anordnet und gestaltet, dass sich in ihr das entfalten kann, was das charakteristische Leben in den Dörfern ausmacht: Die Gemeinschaft mit ihren Versammlungen, kulturellen Festen und
verbindender Vergangenheit.
Aus diesem Grund wurden nicht etwa nur Erweiterungen
beabsichtigt, sondern vielmehr durch ein tiefgreifendes Verständnis von lokaler Identität und dem Wert historischer Strukturen das Vorhandene bewahrt, revitalisiert und zukunftsweisend ergänzt. Die ungleichen Ausgangslagen der Dörfer und die damit verbundenen Schwierigkeiten bedingten einzelne Planungsteams, die sich mit spezifischen Orten befassten und dort Individuallösungen formulierten. Wir versuchten uns durch intensive Recherche, Ortsbegehungen und Gespräche mit Anwohnern unserer Konzepte und planerischen Entscheidungen zu vergewissern. Diese Planungen mögen dennoch zunächst utopisch erscheinen, jedoch entspricht der künftig zweitgrößte See ebenfalls einer Vision. Ausgehend von dieser Erkenntnis erscheinen die vorgeschlagenen Gestaltungsansätze als Ausdruck eines zukunftsorientierten Städtebaus.
Fotograf: Tim Bahn