Kunst an Kölner Litfaßsäulen Stegreif

Im Rahmen eines Masterstegreifes wurde im April 2020 von Marcello Bramigk Bonon, Eugenio D Catalano und Gerit Yonny Godlewsky gemeinsam mit einer Gastjury ein interner Studentenwettbewerb ausgelobt, der die künstlerische Auseinandersetzung mit den Kölner Litfaßsäulen beinhaltete. Ausgehend von einer analytischen Betrachtung der jetzigen Situation war der konzeptionelle Transfer zum Medium gefragt.

Aus weit über 50 Einreichungen wurden gemeinsam mit einer Gastjury fünf Arbeiten auserwählt. Eine dieser Arbeit nimmt am Wettbewerb des Kölner Kulturamtes „Kunst an Kölner Litfaßsäulen“ teil.
Wir drücken die Daumen und hoffen diese Arbeit bald in Köln live erleben zu können.

Gastjury

Dipl.-Künstlerin Elena Goceva
Kunststudium in Neapel und Inhaberin des Tattoo und Kunst Studio tatamata in der Südstadt.

Dipl.-Ing. Architekt Jochen Reetz
Architekturstudium an der Bauhaus-Universität in Weimar und Gründer und Inhaber des Büro für Architecture and Branded Space diiip.

01 Platz

RAUSBLICKE

von Elena Groger und Jonas Kallenbach

Das Fenster ist ein facettenreiches Objekt. Seit jeher machten Künstler*innen von diesem Motiv Gebrauch. Während das Fenster aus architektonischer Sicht eine Schwelle oder Schnittstelle zwischen Innen und Außen markiert, fungiert es in der Malerei und der Literatur oft als Metapher. Das Fenster kann sowohl trennen, als auch verbinden. Es erzeugt ein gerahmtes Bild im Bild, welches den Bezug zum Außenraum herstellt.

Die Thematik von Innen und Außen, das Verhältnis von privatem zu öffentlichem Raum wird in der aktuellen Situation präsenter denn je. Denn so entsteht in dieser besonderen Zeit, in der wir uns gerade befinden, eine andersartige Sicht auf unsere Umwelt. Schwellen, Grenzen und Übergänge werden neu definiert, müssen folglich neu gedacht werden und könnten über die Pandemie hinweg unser Verständnis von Raum verändern. Das Leben in Zurückgezogenheit gibt dem privatem Raum einen neuen Stellenwert und lässt gleichzeitig eine intensivere Verbindung zum „Blick nach Draußen“ entstehen. Das Fenster zu der Welt, die auf einmal andere Spielregeln hat und in der wir uns nicht mehr so bewegen können, wie gewohnt. Ein Blick auf vertraute Umgebungen, die eine ungewisse Zukunft ansteuern. Das Fenstermotiv kann ebendeshalb zum Sehnsuchtsmotiv werden, das das Träumen von einer besseren Welt da draußen, zulässt. So führt es dem Isolierten stets seine Situation vor Augen, und kann den Wunsch nach freiem Leben verstärken. Gleichzeitig bietet es aber auch die Chance eines neuen Verhältnisses zu den Menschen in der unmittelbaren Nachbarschaft. Es wird ersichtlich, dass der Blick aus dem Fenster, bewusst oder unbewusst, in diesen Zeiten eine größere Rolle einnimmt, als gewöhnlich.

Um dieses Noema zu verbildlichen, haben wir Blicke aus Kölner Wohnungen eingefangen und illustriert. Durch Verfremdung mittels CAD Programmen und einen einheitlichen Darstellungsstil entsteht ein Gesamtgefüge aus unterschiedlichen Einzelteilen. Die Farbschemen der Illustrationen setzen sich aus bekannten Gemälden mit Fenstermotiven der Kunstgeschichte zusammen. So wird das Thema des Fensters in der Kunst in einen gegenwärtigen Kontext gebracht. Kunstwerke können als Zeitzeugen den geschichtlichen und politischen Kontext ihrer Epoche veranschaulichen. Das aktuelle Jahr steht im Zeichen der Historisierung des Jetzt. Es wird Geschichte geschrieben, und es stellt sich die Frage, wer oder was werden ihre Zeitzeugen sein? Die Illustrationen sollen auch nach der Pandemie an Gefühlswelten aus der Isolation erinnern und diese in die sonst so rast- lose Gesellschaft einfließen lassen. Die aktuellen Zustände sollen nicht in Vergessenheit geraten, sondern vielmehr aus ihnen gelernt werden.

Die Konzeptidee liegt darin, eine Vielfalt an Rausblicken in verschiedene Stadtteile Kölns zu geben. Der Fokus liegt nicht auf der Abbildung des Menschen, der mit dem Fenster interagiert, sondern vielmehr auf der Sicht desjenigen in die Welt vor seinem Fenster – der Betrachter der Kunst wird somit selbst zum Protagonisten. Das Thema ist facettenreich und variabel. Um dies zu veranschaulichen haben wir zwei Varianten im unterschiedlichem Umgang mit dem Objekt Litfaßsäule ausgearbeitet. Konzeptvariante I bringt Momentaufnahmen verschiedener Fensterbilder an einen Ort. Die Fensterausschnitte bilden ein Gesamtbild, welches dem Betrachter einen facettenreichen Ausblick in die Kölner Welt verschafft. Die Litfaßsäule wird hierbei zum Ausstellungsobjekt.

Die Konzeptvariante II verwandelt die Litfaßsäule zur Wand eines Innenraumes. Es werden jeweils zwei Fenster, mit unterschiedlichen Farbkonzepten und Stimmungen, auf einer Litfaßsäule vereint. Der Betrachter schaut durch das jeweilige Fenster in die Außenwelt.

Wir als Architekten beschäftigen uns meist mit Außenansichten von Gebäuden, also mit der Außenwirkung von Architektur im öffentlichen Raum. Hierbei war es interessant die Sichtweise umzukehren und in die Rolle des Rausblickenden zu schlüpfen. Die Litfaßsäule als gekrümmtes Objekt bildet eine interessante Plattform. So suggeriert die konvexe Form die Sicht in einen Innenraum und eigentlich nicht den Ausblick aus diesem. Es fließt eine surreale Komponente in die Ausstellung ein.

02 Platz

CoroNation

von Birte-Sophie Bülzebruck

„Corona“ = allgemein verwendete Bezeichnung für das neuartige Coronavirus Covid-19
„Nation“ = große, meist geschlossen siedelnde Gemeinschaft von Menschen mit gleicher Abstammung, Geschichte, Sprache, Kultur, die ein politisches Staatswesen bilden (siehe Duden)
Die derzeitige Pandemie, durch Covid-19 verursacht, beeinflusst heute alle Nationen, direkt oder zumindest indirekt. Viele Menschen, darunter besonders Politiker und Beschäftigte im Gesundheitswesen, müssen nun auf kontrovers diskutierte ethische Fragen reagieren, von denen vor ein paar Monaten noch kaum jemand gedacht hätte, dass sie real auftreten würden.
Meine Arbeit fokussiert die unterschiedlichen Kulturen während der Pandemie und ein sehr wichtiges Merkmal dieser, nämlich die unterschiedlichen Begrüßungsformen.
Diese sind in den meisten Kulturkreisen durch körperliche Berührungen geprägt. Auffällig oft sind die Hände bei der Begrüßung beteiligt. Durch die wachsende Globalisierung haben sich viele Kulturen an die europäischen Strukturen angepasst und den Händedruck, zumindest in die Berufswelt, übernommen. Ein Stück Kultur und Tradition geht somit verloren. Die Corona-Pandemie, deren Ausbruch mit eine Folge der Globalisierung ist, hat ganz neue Begrüßungsformen hervorgerufen, welche von Menschen auf der ganzen Welt innerhalb kürzester Zeit angenommen wurden.
Die Fotos sollen unterschiedliche Begrüßungsformen darstellen. Dabei stellt jeder horizontale Ring jeweils eine Begrüßungsform dar. Diese läuft kreisförmig um die Litfaßsäule herum. Jeweils das 1. und 8. Foto, welche die Wendepunkte der Bewegung markieren, sind als Standbilder fotografiert. Die Bilder 2 – 7 werden vom jeweils folgenden Foto leicht überlagert. Es entsteht eine Art endloses Daumenkino: Der Betrachter entscheidet, in welche Richtung er sich um die Säule bewegt, der „Film“ bzw. die Bewegungsabfolge funktioniert in beide Richtungen.
Die Fotos wurden gezielt so gewählt, dass sich nicht konkret eine Begrüßungsform einer bestimmten Kultur zuordnen lässt. Vielmehr soll das Spektrum der menschlichen Kultur gezeigt werden. Aus dem selben Grund wurde versucht, die Personen möglichst neutral, in Schwarz und Weiß, ohne Details zu fokussieren, aufzunehmen. Auch hinsichtlich der Personen soll keine Herkunft im Fokus stehen. Die „neue“ Begrüßungsform seit Corona wird vertikal und bunt dargestellt, allerdings unsortiert und die anderen Begrüßungsformen überlagernd, da sie sich stetig verändert, und in den anderen Kulturen teilweise die Begrüßungsformen ersetzt.

03 Platz

Flatten the Curve

von Ceren Güzel

Abstand aus Liebe halten ist das Paradoxon der gegenwärtigen Situation, das als oberste moralische Pflicht über jede Entscheidung eines Einzelnen steht. Wir isolieren uns, um gefährdete Mitmenschen zu schützen.
Was löst jedoch diese körperliche Distanz in uns aus? Welche Gefühle kommen hier besonders bei Menschen in Stadtwohnungen zum Vorschein, die keine Mitbewohner oder Partner, keinen Garten oder Balkon haben?
Wir haben gemeinsam das Privileg, während einer weltweiten Krise in einem der sichersten und reichsten Länder der Welt zu leben. Ist es jedoch ein berechtigtes Gefühl, nicht resignieren zu können? Trotz der Besinnung auf große Dankbarkeit lassen sich viele Gefühle der Sorgen und Angst nicht unterdrücken.
Mit diesen Gefühlen und Gedanken soll sich der Entwurf befassen. Flatten the curve wird hier als Gebot der Stunde wörtlich genommen. Die Nutzer lösen durch die Berührung eine Abflachung der aufgeblasenen Installation aus.
Die Luft wird rausgelassen, die Anspannung lässt nach.
Die Kurve flacht ab.

03 Platz

Keine Kunst. Kein Publikum.

von Antonia Jansen-Winkeln

Am 11.März 2020 wurde die Corona-Krise in Deutschland zur Pandemie erklärt. Am 22.März einigten sich Bund und Länder auf ein deutschlandweites Kontaktverbot. Dadurch wurden Ansammlungen von mehr als zwei Personen in ganz Deutschland verboten. Folglich mussten alle Veranstaltungen verschoben oder abgesagt werden. Tausende von Kunst und Kulturveranstaltungen wurden kurzzeitig gecancelt. Seitdem sind Spielstätten, Theater, Opernhäuser, Kinos, Clubs, Galerien und vieles mehr ungenutzt.
Andere Wege und alternative Präsentationsmodelle um die Kunst und Kultur ans Publikum zu bringen, wurden entwickelt und erweckt. Ein Beispiel ist das „Zuhause Festival“ unter dem Motto „Künstlerinnen streamen live. Von zuhause für zuhause“, initiiert vom „Superkollektiv und Akteurinnen aus der solidarischen Münchner Gesellschaft“.
Auch das Montreux Jazz Festival stellt online über 50 Konzerte für Zuschauer zur Verfügung und soziale Medien werden wichtiger denn je. Über Portale wie Instagram oder Facebook finden Lesungen und Konzerte statt.
Die Frage bleibt, ob die Alternativwege der Kunstpräsentation einen wesentlichen Teil des Erlebnisses nehmen. Welche Rolle spielt die persönliche Begegnung und die Dynamik zwischen Kunstschaffenden und dem Publikum?
Nicht nur große und kleine Spielstätten sind betroffen. Auch freischaffende Künstler*innen, die beispielsweise in einer Galerie ihre Kunst präsentieren würden, trifft die Corona-Krise hart. Können es sich diese Menschen ohne ihr gewohntes Publikum noch leisten Kunst zu schaffen?
Die unvergleichbaren Umstände während der Corona Pandemie trifft vor allem ein Teil der Gesellschaft: die Kultur. Die Darstellung von 25 Bildnissen der Kultur auf den 25 Kölner Litfaßsäulen im öffentlichen Raum soll dem Kölner Publikum die Auswirkungen auf die lokalen Kulturstätten unmittelbar vors Auge und damit auch zurück in die öffentliche Wahrnehmung führen.
Dabei manifestiert der mittig platzierte Schriftzug nicht nur die bildhafte Darstellung der kulturellen Situation. Vielmehr führt sie den Betrachter auf die grundsätzliche Frage, die durch die Pandemie schonungslos aufgedeckt wurde: das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Kunst und Publikum.
Die visuelle Veränderung der Wortfolge der zweizeiligen Leitidee durch die Veränderung des tatsächlichen Blickwinkels führt zu gedanklichen Auseinandersetzung des Betrachters aus beiden Perspektiven. Durch die Integration der runden Oberfläche der Litfaßsäule bleibt die Konklusion jedoch frei dem Betrachter überlassen.

Keine Kunst. Kein Publikum. Kein Publikum Keine Kunst.

03 Platz

Gabensäule

von Alina Krebs

„Kunst an Kölner Litfaßsäulen“ bietet den Künstlern und Künstlerinnen die Möglichkeit, Menschen mit ihrer Kunst an verschiedensten Stellen im öffentlichen Raum in Köln zu erreichen und regen damit auch zum erkunden des Umfeldes an.

Gabenzäune in Zeiten der Corona Krise
In Zeiten von Corona wird unser Alltag auf den Kopf gestellt. Geschäfte haben geschlossen, sozialer Kontakt ist auf ein Minimum reduziert oder verboten, in manchen Städten herrscht sogar die Ausgangssperre. Viele Menschen stehen, wie auch die Wirtschaft, vor finanziellen Krisen. Während „social distancing“ betrieben wird, soll gleichzeitig aber auch die Gemeinschaft gestärkt werden.
Wie muss der Alltag von Menschen aussehen, die im „Normallfall“ keinen geregelten Alltag besitzen? Beispielsweise Obdachlose? Menschen die auch schon vor der Corona Krise an der Grenze zum Existenzminimum standen? Hilfsbedürftige?
Zusammengefasst: Menschen in Not.
In diesen schwierigen Zeiten muss und soll die Gemeinschaft gestärkt werden.
Beispielsweise durch Gabenzäune.
Konstruktive Gestaltung
Die betonierten Säulen sollen in ihre ursprüngliche Materialität, Beton, in Erscheinung treten. Der Werkstoff bildet eine neutrale Grundlage. Vor ihr wird ein Zaun, wie er bspw. bei Gabionen oder Hochbeeten verwendet wird, vorgelagert. Dieser dient als Grundlage zur Befestigung der „Gabentüten“. An dem Zaun wird eine Materialprobe von einer Fassade eines markanten Gebäudes der Umgebung befestigt.
Der Besucher erhält Informationen zu seiner Umgebung, dem Material und dem Gebäude in seiner Umgebung durch das Material an sich.
Die Säulen interagieren somit auf spielerische Art und Weise und erwecken Neugier zum Erkunden der Umgebung. Diese Informationen können entweder auf Informationssäulen am Gebäude, als Informationen auf einer Materialprobe, welche der Fassade nachempfunden ist, oder als Wegbeschreibung zum Gebäude auf einer solcher Materialproben aufgebracht werden.
Das Farbkonzept unterstreicht die Gestaltung der Säulen in einer Art Colourblocking und belebt diese. Bei Verwendung der Konstruktion und Materialität wurde auf eine möglichst kostengünstige und schnell realisierbare Art und Weise geachtet.
Kritik bezüglich Verwahrlosung der Gabenzäune?
Die Tüten werden von den Personen mit Datum versehen und von Freiwilligen oder der Müllabfuhr nach entsprechenden Tagen entsorgt werden.
Die Tüten werden an den Säulen in Tütenspendern bereitgestellt.