Sina Jansen, Nina Wester, Jan-Timo Ort | 14.01.2025

MITSCHNITT
Nachbericht 1: Die Zukunft ist Kollektiv!
Referentinnen: Nina Wester und Sina Jansen
Zum letzten Vortrag der Reihe „Soziale Verantwortung in der Planungspraxis“ waren gleich zwei ganz besondere Kollektive eingeladen. Unter anderem das Team DIS+KO, mit ihrer innovativen und mutigen Entwurfsstrategie und Überzeugung.
Der Name setzt sich zusammen aus den beiden Kürzeln der Wörter Diskurs und Kooperation in Zusammenhang mit Planung, Gestaltung und Kommunikation.
Das Team wurde 2018 gegründet und besteht aus 8 jungen Planer*innen. Unter anderem Nina Wester und Sina Jansen, die das Team am Dienstagabend, den 13.01.2024 vertreten haben.
Nina Wester machte vor ihrem Architekturstudium eine Ausbildung zur technischen Zeichnerin. 2011 begann sie dann an der, damals noch Fachhochschule Köln, ihren Bachelor, den sie 2015 erfolgreich abschloss. Hier war sie von 2012 bis 2015 Tutorin für Entwerfen, Konstruktion und Gebäudelehre. 2016 zog es sie nach Berlin, um ihren Master an der technischen Universität Berlin zu beginnen.
Sina Jansen begann 2013 ihr Architekturstudium an der TU Berlin, an der sie 2018 auch ihren Master begann. Zwischenzeitlich war sie für ein Semester an der Königlichen Dänischen Akademie, bevor sie 2021 ihren Master in Berlin abschloss.
Getroffen hat sich das gesamte Team Dis+Ko in ihrem Masterstudium an der TU Berlin. Genauer gesagt, im Natural Building LAB, von dem Sina Jansen bis heute ein Teil ist.
Das Natural Building LAB ist eine Art Workshop, der Studierende, in einer Zeit geprägt von gesellschaftlicher Unruhe und Veränderung, an die Hand nimmt und versucht diese in die akademische Arbeitswelt einzuführen. Die Arbeit im Natural Building LAB zeichnet sich aus durch den Fokus auf die Prozessorientierung und die Wirksamkeit der Projekte. Hier haben die acht auch ihr erstes Projekt zusammen bearbeitet.
Danach haben sie gemeinsam ihre Masterarbeit geschrieben, die aufdeckt, was für wertvolle Orte Friedhöfe sein können und was für ein wahnsinnig buntes Angebot dort aufblühen kann.
Nach ihrem Abschluss war allen klar, dass sie ihre Zusammenarbeit weiterführen wollten und so wurde das TEAM DIS+KO gegründet. Vierteljährlich setzen sie sich gezielt zusammen, um ihre Überzeugungen und Leitbilder zu diskutieren. So garantieren sie eine gewisse Aktualität in ihren Projekten. Gleichzeitig resultiert daraus, dass sie so sehr bedarfs- und nutzerorientiert arbeiten können. Das Kollektiv hat folgende sieben Grundprinzipien:
Die Gemeinschaft als Ressource, Räume als Experimentierfeld, Freiraum als Schutzort, Mitbestimmung als Disziplin, Transformation als Standard, Nachhaltigkeit als Motor und das Netzwerk als System.
Alle acht haben ein weiteres Standbein, das ihnen ermöglicht, als Team DIS+KO Dinge auszuprobieren und zu experimentieren, ohne in erster Linie einen finanziellen Profit daraus schlagen zu müssen.
Ein Projekt, in dem ihre Überzeugungen sehr schön deutlich werden ist das studio nagelneu. Es liegt mitten in Neukölln, direkt am Jacobi-Friedhof. Dort unterhält das Berliner Kollektiv Prinzessinnengarten den Friedhof, senkt so die Unterhaltskosten und bietet gleichzeitig Veranstaltungen für Alt und Jung an. Die eigentliche Aufgabe war das Gestalten eines Plakates, dass auf das Angebot der Prinzessinnengärten hinweist und in das Schaufenster des heruntergekommenen, ehemaligen Nagelstudios gehängt werden sollte, welches direkt neben dem Friedhof liegt. Schnell kam die Frage auf, wieso man nicht den Raum hinter dem Schaufenster in eine Art öffentliches Wohnzimmer umgestalte, um so noch mehr Leute anziehen zu können. So wurde mit einem sehr geringen Budget und vielen Baumaterialien, denen ein neues Leben geschenkt wurde, das studio nagelneu als Ort des Gemeinschaffens vor dem Abriss bewahrt. Denn, nicht-kommerzielle Orte an denen unterschiedliche Menschen zusammenkommen können, verschwinden in den Städten.
Und dagegen versucht, unter anderem, das TEAM DIS+KO anzugehen. Sie wollen Teil einer guten und bedarfsorientieren Lösung sein. Und dazu gehört auch schonmal, dass erst im Laufe eines Prozesses klar wird, was eigentlich das Produkt sein wird. Denn gute Ergebnisse kommen aus guten Prozessen. Und gute Prozesse sind Prozesse, in denen Zwischenmenschlichkeit eine ganz große Rolle spielt, Menschen zugehört und auf sie eingegangen wird. Das Entwerfen dient also zu einem gewissen Grad nur der Notwendigkeit und stellt den Rahmen für die Benutzung dar. Und dazu braucht es oftmals gar nicht viel.
Beim Vortrag wurde klar, TEAM DIS+KO hat keine Angst alte Standards zu brechen, mit anzupacken und in der Konsequenz die Krise nicht mitzutragen!
Durch ihre Arbeit machen sie auf wichtige Fragen aufmerksam, die wir uns als angehende Architek*innen alle stellen sollten.
Dürfen wir überhaupt noch bauen? Wenn ja, wie?
Welche Rollen, Aufgaben und vor allem Verantwortungen müssen wir als angehende Planer*innen in Zukunft übernehmen?
Text: Merle Xhonneux
Nachbericht 2: Performativ Planen – Strategisch Gestalten
Zum Abschluss der Vortragsreihe „Kritische Architektur“ im Wintersemester 2024/25 fand am Dienstagabend eine besondere Veranstaltung statt: Das klassische Vortragsformat wurde aufgebrochen, um den partizipativen Charakter der Reihe zu unterstreichen. Der Abend war in mehrere Segmente unterteilt, in denen die Vortragenden gezielt Raum für Diskussionen ließen, um die Besucher*innen aktiv in den Austausch einzubeziehen.
Jan-Timo Ort von Studio Malta eröffnete den Abend mit seinem Beitrag „Performativ Planen – Strategisch Gestalten“. Seine zentrale These: Architektur ist kein statischer, sondern ein dynamischer, interaktiver Prozess. Planung bedeutet ein kontinuierliches Aushandeln zwischen Raum, Akteur*innen und Prozessen.
Dies veranschaulichte er eindrucksvoll am Beispiel der Container City Stuttgart, die als temporäres Quartier des Kunstverein Wagenhalle e.V. während der Sanierung der historischen Halle entstand. Das beim Deutschen Städtebaupreis 2018 ausgezeichnete Projekt zeigt exemplarisch das Potenzial nutzer*innengetragener Projektentwicklung: Rund 60 Kunstschaffende organisierten sich in 23 Baugemeinschaften und gestalteten den Planungsprozess von Beginn an aktiv mit. Die realisierten Projekte reichten von pragmatischen Container-Anordnungen bis zu experimentellen Architekturen – darunter ein beeindruckender 65 Meter hoher umgenutzter Strommast mit integriertem Studio.
Neben individuellen Ateliers und Werkstätten entstanden gemeinschaftlich genutzte Räume wie eine Galerie, Projekträume und eine Gemeinschaftswerkstatt. Die Aktivierung der Stadtbrache schuf nicht nur dringend benötigten Raum für Kunstschaffende, sondern etablierte auch einen neuen kulturellen Begegnungsort im Quartier.
Im zweiten Teil des Abends präsentierten Sina Jansen und Nina Wester vom Team Dis+Ko ihren Vortrag „Die Zukunft ist Kollektiv!“. Ihr Fokus lag auf Strategien zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums durch Selbstumbau und kollektive Organisation, was sie am Projekt Bleibe 1.0 konkretisierten.
In der anschließenden Diskussion zeigte sich eine überraschende Verbindung: Die Vortragenden kannten sich bereits aus dem Studium und hatten in verschiedenen Projekten zusammengearbeitet. Diese gemeinsame Geschichte spiegelte sich im lebhaften Austausch wider, in dem beide Studios ihre Erfahrungen mit partizipativen Planungsprozessen reflektierten und Perspektiven für künftige Kooperationen entwickelten.
Mit diesem gelungenen Mix aus Vorträgen und Diskussion schloss die Vortragsreihe Architectural Tuesday als Plattform für den Austausch über neue Wege in der Architektur ab.
Text: Jose Gabriel Polombo




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Luke Sorges
Über Team Dis+Ko
Nina Wester und Sina Jansen
Über Studio Malta
Jan-Timo Ort
Jan-Timo Ort gehört zum Studio Malta, einem Planungsbüro von vier Architekt*innen und Stadtplaner*innen, welches in den Bereichen Stadtentwicklung, Architektur und Design in planerischen, gestalterischen und partizipativen Prozessen tätig ist. Ausgangspunkt ihrer Arbeit sind Perspektiven aller Akteur:innen als Basis für kooperative Entwicklungsprozesse, unter Einsatz unterschiedlicher Werkzeuge und eines breit gefächerten, eng vertrauten Netzwerks. Performative Planung, die Durchdringung von Maßstabsebenen und das Denken in Prozessen dienen räumlicher Untersuchung, Strategie und Realisierung.


Team Studio Malta, Foto: Thommy West
Gemeinsam planen, Foto: Studio Malta

Protest, Foto: Studio Malta