Interventionen am Siemenswerk in Ehrenfeld

Im Rahmen des 5. Semester Projektes des Wintersemesters 2019 / 2020 befassten sich Studierende unter der Leitung von Prof. Rüdiger Karzel und Wiss.-MA. Eugenio D Catalano mit der sogenannten „Aida Ehrenfelds“, das brutalistische Terrassen-Bürohaus an der Franz-Gleueler-Straße aus den 70er Jahren. Das in bester Lage gelegene Grundstück wurde von der Corpus Sireo Projektentwicklungs GmbH erworben und der Bau von ca. 400 Wohnungen ist beabsichtigt, was den Abbruch des ehemaligen Siemenswerks nach sich zieht.

Auf Basis einer intensiven analytischen Auseinandersetzung mit der ca. 1,8ha großen Gewerbefläche, galt es Ideen/ Interventionen und Rekonfigurationen zu erforschen, die den Erhalt des Gebäudes oder der Gebäudestruktur rechtfertigen und möglich machen.
Ziel des diesjährigen Projektes war es die Studierende mit dem Thema der Nachverdichtung durch dem Bauen im Bestand zu sensibilisieren und das ressourcenschonende und nachhaltige Bewusstsein zu stärken.

Die folgende Dokumentation zeigt einen Einblick der Arbeiten aus dem 5.Semeter Projekt des Instituts für Architektur, Konstruktion und Theorie.

Niklas Beckmann und Sander Janssen

„Die Siemens AG wird bis Ende 2020 seine bisherige Niederlassung aufgeben und nach Mülheim ins „I/D Cologne“ an der Schanzenstraße umziehen. Der noch aktuelle Standort liegt im Osten des Kölner Stadtteil Ehrenfeld und befindet sich im Spannungsbereich zwischen der Kleinkörnigkeit der Wohnbauten in Ehrenfeld und der massigen Büro- und Kulturbauten an der inneren Kanalstraße. In ca. 100 m Entfernung befindet sich die Kölner Zentralmoschee und die Venloer Straße. Die Entwurfsaufgabe besteht darin, das Terrassen-Bürohaus in Ehrenfeld umzugestalten und die Räumlichkeiten neu zu beleben. Hierbei steht besonders im Fokus den 70er Jahre-Bau nicht komplett abzureißen, sondern mit dem Bestand zu arbeiten.

Um der Lage und der Größe der Aufgabe gerecht zu werden sind wir auf die Bedürfnisse des „Ehrenfelders“ und gegebenenfalls auch des Kölners eingegangen, indem wir das „Kulturzentrum Ehrenfeld“ entwickelt haben. Bei diesem Konzept kann der Nutzer eine Vielzahl an kulturellen Angeboten wahrnehmen, die in drei unterschiedliche Hauptbereiche gegliedert werden: die musischen, literarischen und handwerklichen Bedürfnisse. Die neue Planung sieht somit eine klare Teilung vor. 

Als erste Anlaufstelle; in die man vom Grüngürtel entlang der Moschee geleitet wird; trifft man auf das Verwaltungsgebäude, von dem man auf die Nutzgebäude verteilt wird. Zwei offene Treppenkerne, die als Ausstellungsfläche und Eingangshalle dienen, verbinden jeweils die „Bedürfnisse“ miteinander und widmen sich somit auch der Kommunikation zum neuen Besucher. Um die Neugierde des Unwissenden zu wecken und ihm auch einen klaren Weg vorzuführen, soll man nur erahnen können was hinter der Fassade der Nutzgebäude vor sich geht und diese dann über die Verbindungselemente betreten. Was ein Spiel zwischen transluzenter und transparenter Fassade zur Folge hat.“

Paula Kessing

Ziel dieses Entwurfs war es, das Siemens Werk zu einem reinen Wohngebäude umzunutzen. Dafür wurde ein Straßenzug betrachtet, der aus einer Zeile Mehrfamilienhäusern, der Straße in der Mitte und einer Zeile Reihenhäusern besteht. Dieser Straßenzug wurde in die vertikale transportiert, sodass die unteren zwei Geschosse die Reihenhäuser, das Freigeschoss in der zweiten Etage die Straße und die oberen Geschosse die Mehrfamilienhäuser in Form von Etagenwohnungen beherbergt.




Dabei wurde die Form des bestehenden Gebäudes beibehalten und lediglich mit kleinen Eingriffen verändert. Um die Belichtung und Belüftung über die Gebäudetiefe von 32 m gewährleisten zu können, wurden die Geschossdecken in einem regelmäßigen Raster perforiert.

Die schon bestehenden Terrassenbereiche können von den Bewohnern als großzügige Außenbereiche genutzt werden. Die Fassade ist sehr offen gestaltet um einen größtmöglichen Lichteinfall in die Wohnungen zu gewährleisten. Mit Hilfe von textilen Vorhängen ist das Ausmaß an Intimität durch den Bewohner wählbar. Es wurde durch Verzögerungsstreifen und Innendämmung eine thermische Hülle geschaffen, die möglichst transparent ist und den Blick auf das markante Stahlbeton-Tragwerk aus Stützen und Unterzügen frei lässt.





Nastassja Daun

Das Siemens Bürogebäude in Ehrenfeld hat einen neuen Besitzer. Geplant sind Abriss und Neubau an gleicher Stelle. 

Ist es möglich die Pläne des Investors ohne Abriss zu verwirklichen?


Das vorhandene Gebäude bietet sich als Betonskelettbau sehr für eine Umnutzung an. Der vorgeschlagene Entwurf sieht eine komplette Nutzung der vorhandenen Struktur vor: Wohnungen, Büros, Gastronomie, Kita und Selbstversorger-Gärten auf den vorhandenen Terrassen, zusätzlich Neubauten und einen öffentlichen Platz auf dem Gelände. 

Insgesamt circa 43 000qm BGF. 

Das Betonskelett wird entkernt, verglast und bekommt eine homogene Fassade aus Vorhängen. So wird die vorhandene Struktur behutsam ergänzt und an die neue Wohnnutzung angepasst. Das Glas lässt einen maximalen Lichteinfall in die tiefen Grundrisse, und das Textil sorgt für Privatsphäre und Verschattung. 

Warum abreißen mit dem damit verbundenen Schuttaufkommen, wenn das Vorhandene schon alles hergibt, was der Investor will? 

Noah Otte

Das ehemalige Bürogebäude der Siemens AG steht nahe des Grüngürtels in Köln Ehrenfeld und bildet eine Kante zwischen Grün – und Stadtraum. Ziel des Entwurfes ist es, diese Kante zu brechen und das Grün in die Stadt zu lassen. Durch die Umnutzung von Bürogebäude zu Wohnräumen wird der Baukörper wieder in die Stadtstruktur integriert.
Die neuen Grundrisse fügen sich in das Bestandstragwerk ein, innenliegende Lichthöfe schaffen Orte für Begegnung und Kommunikation. Zusammen mit einem zweiten Baukörper wird eine neue Platzsituation gerahmt.

Steffen Prust

Für den Projektangewandten Entwurf habe ich die Interventionen am Siemenswerk gewählt, da das Gebäude mit einer einzigartigen Kubatur in einem dicht besiedelten Stadtbereich liegt. Meine Intention am Entwurf lag darin, dass ich eine Verbindung zwischen der Blockrandbebauung und den Gewerbezonen des Grüngürtels schaffe, ohne dabei tiefgründige Eingriffe wie eine Zerschneidung des Gebäudes vorzunehmen. Für diese Schritte teilte ich das Gebäude in verschiedene Segmente ein, um einen systemartigen Wohnungsbau zu schaffen. Hierbei habe ich die Gebäudetiefe für eine ausreichende Belichtung in bestimmten Zonen reduziert. Die Innenhofähnlichen Situationen sorgen für Ruhezonen der Anwohner und bieten gastronomische Möglichkeiten im Erdgeschoss. Die Bestandsfassade wird entfernt und mit einer vorgehängten Fassade verkleidet. Der einst horizontal gestaffelte Baukörper erhält mit diesem kleinen Eingriff eine neue Grundstruktur und wirkt klarer, strukturierter. Die vorhandenen Auskragungen der Bestandsbalkone nutze ich für die neuartige Fassadengestaltung. Sonnen bzw. Sichtschutzpanele lockern das Gesamtbild auf und geben dem Gebäude den wohnungsbauartigen Charakter. Mit einer Begrenzung von vier Vollgeschossen schaffe ich einen Angleich an angrenzende Bestandsgebäude und beziehe mich damit auf die nahliegende Blockrandbebauung. Für die Generierung von Grünflächen lasse ich den Quartiersähnlichen Platz verkehrsfrei. Dabei ist die Offenheit des Platzes oberste Priorität und lädt zum Verbleiben ein. Parkbänke, Fahrradstellplätze, Kölner Büdchen oder ein Spielplatz unterstützen dies und lassen das Areal zum neuen Glanz erscheinen.

Tim Bahn und Karl Herchenbach 

Vernunft statt Verwurf
Bewusst provokativ haben wir dies zum Leitfaden unseres Entwurfes gewählt.
Denn da das Gebäude abgerissen werden wird war unser Anspruch umso mehr gewesen möglichst viel des Altbestandes zu erhalten und mit notwendiger Nutzung zu versehen.
Gleichzeitig soll aber auch die Gebäudebezogene Schwächung des Städtebaus ausgebessert werden. Am Planungsgebiet erfährt die ursprüngliche Wohnblock Struktur Ehrenfeldes den Übergang zu den gewerblichen genutzten solitären des Grüngürtels.
Das zu verändernde Gebäude kann keinem der beiden Bereiche eindeutig zugeordnet werden.
Das klare Raster der Block Strukturen wird durch das Siemensgebäude unterbrochen.
Um die Städtebaulichen Strukturen in den ursprünglich vorgesehenen Zustand zu versetzen, kann die Gesamtform des Gebäudes nicht erhalten bleiben. Unser Lösungsvorschlag wäre das Schließen der unvollständigen Blöcke und das weiterführen des städtebaulichen Rasters. Das Gebäude erfährt durch das Fortführen des Rasters eine Teilung. Der südliche Teil wird in den entstandenen Block integriert. Der nördliche Teil, nun in seinen Proportionen eher dem Stadtbild entsprechend, erhält durch seine Position als solitär am Platz, repräsentative Verantwortung für das neu entstandene Quartier. Da diese durch die bestands Struktur des Gebäudes nicht wiedergespiegelt wird, wollten wir durch eine Aufstockung in die Höhe, als Turm gedacht, dieser gerecht werden. Die Überhöhung erfolgt am südlichen Rand und läuft zum nördlichen Rand hin stufenweise aus. Dadurch haben wir versucht zwischen den hohen solitären des Grüngürtels und der Blockrandstruktur ehrenfelds zu vermitteln und das konstruktive Raster des Gebäudes hervorzuheben. Durch Addition und Subtraktion des ursprünglichen Rasters wird das Gebäude treppenartig aufgebaut. Durch die Treppung wird die entstehende Dachfläche auf alle Geschosse verteilt, so entstehen kleinere Terrassen, welche von vielen Wohnungen aus genutzt werden können.Um das klare konstruktive Raster des Gebäudes dem Betrachter zu verdeutlichen und um eine eindeutige Eingangsposition in der einheitlichen Fassade zu markieren, haben wir an der südwestlichen Gebäudekante, in gleicher Abstufung, als Subtraktion die tragende Struktur freigelegt. Aufgrund des starken Wohnungsmangels in Ehrenfeld und in Köln im Allgemeinen, war es uns wichtig so viel Wohnfläche wie möglich zu generieren.
Aufgrund der enormen Gebäudebreite konnten wir diese in den ersten 3 Geschossen jedoch nicht sinnvoll realisieren. Wir haben uns in diesen geschossen gegen eine gemischte Nutzung, mit teilweiser Wohnnutzung, entschieden, da auf diese Weise die Nutzungsbedingten Ansprüche auf eine ganze ebene, mit wenigen Kompromissen, übertragen werden kann. Auch entstehen so eindeutig halböffentliche und private Bereiche, welche durch entsprechende Gestaltung der einheitlichen Nutzung einer Ebene besser entspricht und Besuchern der gewerblichen Einrichtungen oder im Umkehrschluss der Privaten Wohnungen die richtige Orientierung bietet. Die horizontale Erschließung erfolgt an der Stelle des Bestands-Erschließungskernes, welcher sich in seiner Größe und Organisation der vertikalen Erschließung der einzelnen ebenen anpasst. Um Ihn reihen sich Wohnungen in verschiedenen Größen entsprechend unterschiedlicher Lebensabschnitte. Um das Gebäude in seiner alten Struktur aufzustocken haben wir versucht das Gewicht der Folgekonstruktion möglichst zu minimieren, um die Bestandsfundamente nicht unnötig zu belasten. Wir haben uns daher für eine Holzskelettbauweise entschieden, welche in modulbauweise errichtet werden kann. Die Stützen und Träger sind als  Brettschichtholz ausgeführt. Die Träger werden zusätzlich mit Stahlprofilen verstärkt, welche zum einen auch die Anbringung der Blechfassade ermöglicht und zum anderen als Auflager für das Kassettendeckenmodul dient. Der gesamte Deckenbereich wir zusätzlich von einer dünnen zusammenhängenden Stahlbetonschicht überzogen, welche in Holz-Beton Verbundweise mit dem Kassettendecken Modul verbunden ist. Diese zusammenhängende Schicht dient zum einem der Aussteifung und Stabilität der Deckenplatten und zum anderen der Gewährleistung des Brandschutzes zwischen den Geschossen.

Justus Müller

Eine Sache die Köln im Vergleich mit anderen europäischen Großstädten fehlt ist eine Markthalle, ein Ort der unterschiedlichste Menschen anzieht und sie miteinander in Kontakt bringt. Diese Beschreibung trifft ebenso auf Köln-Ehrenfeld zu, ein Stadtteil der trotz jüngster Entwicklungen seine Vielfältigkeit bewahrt hat. So bietet sich die Umnutzung der Siemens-Niederlassung in Köln-Ehrenfeld zu einer Markthalle geradewegs an.Es war meine Absicht, diese Umnutzung so ressourcenschonend wie möglich zu gestalten, gleichzeitig schon in der Entwurfsphase einen nachhaltigen Betrieb zu implementieren. Daher entstand ein Entwurf nah am Bestand ohne größere Eingriffe in die Bausubstanz. Kurze Lieferketten werden durch die Produktion der Waren vor Ort sichergestellt. So werden etwa Flächen im Außenbereich für die Zucht von Obst, Gemüse aber auch Schweinen zur Verfügung gestellt, Reisbecken auf den Dachflächen ermöglichen den Anbau von Reis und die gleichzeitige Zucht von Fisch in Symbiose. Die Markthalle in den ersten zwei Geschossen wird durch eine Atelier- und Werkstattnutzung in den oberen Etagen ergänzt. So besteht die Möglichkeit, Produkte unter dem selben Dach zu produzieren, unter dem sie auch verkauft werden.Gastronomische Nutzungen sind über die Markthalle so wie auf den Dachaufbauten verteilt, wie etwa die Sake-Bar im 6. Obergeschoss, die einen beeindruckenden Blick über Köln ermöglicht.